Der Landesvater ist intern so mächtig wie große Vorgänger.
Berlin/Gau. Das waren noch Zeiten: Von 1962 bis 2008 regierte die CSU als „Staatspartei“ mit absoluter Mandatsmehrheit. Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber kultivierten den Habitus wohlwollender Monarchen mit eiserner Faust. Keine Affäre, von Flick bis zu den Amigos, konnte die Vormachtstellung der „50-plus“-Truppe erschüttern. Bis das Wahldebakel vor fünf Jahren die erfolgreichste Partei Deutschlands in eine ungeahnte Existenzkrise trieb. Horst Seehofer, bis dahin Bundesminister, eilte als Nothelfer aus Berlin herbei.
Der 64-Jährige stellte sich am Sonntag das erste und letzte Mal einer Wahl zum Ministerpräsidenten. Dem instinktstarken Politiker gelang es, die Umfragewerte wieder nach oben zu drehen. Das verhalf ihm zu uneingeschränkter interner Macht – die CSU als Ein-Mann-Partei. Von seiner Mannschaft wird Seehofer respektiert, aber nicht immer geliebt.
Immer wieder hat der Chef enge Mitarbeiter abgekanzelt. Seinem Finanzminister Markus Söder attestierte er gar, er sei „von Ehrgeiz zerfressen“ und zeige „charakterliche Schwächen“. Statt auf designierte Thronfolger hört Seehofer lieber auf die Stimme des Volkes. Für seine Kritiker ist der Landesvater ein Populist, der sich keinem Programm und keiner Strategie verpflichtet fühlt. Wehrpflicht, Atomausstieg, Studiengebühren, Donaukraftwerke, Windräder: Die Liste der spontanen Kehrtwendungen, mit denen er auch Parteifreunde überraschte, ist lang.
Kraftproben in Berlin
Auf der Berliner Bühne demonstrierte Seehofer, dass „ohne die Bayern nichts geht“. Gegen Widerstände von allen Seiten setzte er das Betreuungsgeld für Eltern durch, die ihre Kinder zu Hause aufziehen. Gegen den Finanzausgleich – Bayern zahlt jährlich vier Milliarden für finanzschwache Bundesländer – zog er vor Gericht. Und mit der Pkw-Maut für Ausländer, die der Rest Deutschlands für EU-rechtswidrig hält, stimmte Seehofer auch im Wahlkampf bei vielen Bayern patriotische Saiten an.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)