Syrien: Wie Irans Eliteeinheiten für Assad Krieg führen

Irans Eliteeinheiten fuer Assad
Irans Eliteeinheiten fuer Assad(c) EPA (SANA HANDOUT)
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Iranische Offiziere haben das Kommando über Teile der syrischen Regimestreitkräfte übernommen. Die Iraner bilden sie aus und führen sie im Kampf. Einer dieser iranischen Offiziere war Kommandant Haydari.

Für die Rebellen gelten sie als Inkarnation des Bösen. „Sie kennen kein Erbarmen, schlachten Kinder ab und vergewaltigen Frauen.“ Gerade in Aleppo, wo seit über einem Jahr eine Pattsituation zwischen Opposition und Regimetruppen an den Nerven zehrt, könnte der Hass nicht größer sein. „Diese Söldner morden das syrische Volk im Auftrag Bashar al-Assads“, sagt ein Rebellenkommandant in der Industriemetropole im Norden des Landes. „Es sind widerliche Menschen“, fügt Abu Ali hinzu und meint damit Soldaten aus dem Iran, die an der Seite der syrischen Armee kämpfen. Der Iran ist neben Russland der wichtigste Verbündete des Assad-Regimes.

Bisher gab es keine eindeutigen Beweise für die Präsenz iranischer Hilfstruppen in Syrien. Im Gegensatz zur schiitischen Hisbollah aus dem Libanon hat Teheran nie offiziell zugegeben, dass seine Soldaten für das syrische Regime kämpfen. Die Rebellen meldeten einige Male, iranische Soldaten getötet oder verhaftet zu haben. Zuletzt wurde im August ein Gefangener präsentiert, der zur al-Quds-Truppe, einer Eliteeinheit der Revolutionsgarden, gehören soll. Allerdings weiß man nach über zwei Jahren Bürgerkrieg, dass es Rebellen mit der Wahrheit oft nicht genau nehmen.

Iraner haben das Kommando übernommen

Diese Woche tauchten nun zum ersten Mal Filmaufnahmen von iranischen Soldaten in Aleppo auf. Die Bilder beweisen, dass der Iran tatsächlich Militärpersonal auf syrischem Boden stationiert hat. Und was bisher ebenfalls nur eine Vermutung war: Die neu aufgestellten syrischen Milizen der Nationalen Verteidigungskräfte (Ndf) wurden im Iran ausgebildet. Die Ndf trugen einen erheblichen Teil zu den neuen militärischen Erfolgen des Regimes bei. Die Filmaufnahmen machen zudem deutlich, wer militärisch das Kommando übernommen hat. Iraner geben syrischen Soldaten Anweisungen, planen Operationen und gehen auf Patrouille an der Frontlinie. „Nicht hier auf einem Punkt sitzen bleiben“, ermahnt ein iranischer Offizier den Diensthabenden eines Außenpostens der syrischen Armee. „Wichtig ist, dass die Männer sich verteilen.“

Die Videos sind nicht mit einem Handy aufgenommen, wie man das aus dem syrischen Bürgerkrieg gewohnt ist. Die Bilder wurden professionell mit einer Kamera aufgezeichnet. Es scheint so, als habe man einen Dokumentarfilm drehen wollen. „Wir haben das Material in der Nähe von Aleppo bei Iranern gefunden“, erklärte Hussam Sarmini von der Rebellengruppe Liwa Dawud. „Es war eine Gruppe von 13 Mann, die an einem Checkpoint getötet wurde.“ Der Sprecher der Liwa versicherte, man habe noch viel mehr Videomaterial gefunden als das bisher veröffentlichte. „Wir haben noch Fotos und Dokumente, die wir erst ins Arabische übersetzen müssen und dann Schritt für Schritt veröffentlichen werden.“

Anweisungen auf Persisch

Sarmini hatte einen Teil des bei den getöteten Iranern erbeuteten Filmmaterials an al-Jazeera weitergegeben. Der darauffolgende Bericht des arabischen Nachrichtensenders über „die iranischen Söldner in Syrien“ löste Diskussionen über die Authentizität des Materials aus. Al-Jazeera hat seinen Hauptsitz in Katar und ist, wie der Emir des Landes, bekannt für seine offene Sympathie für die syrischen Rebellen. „Für mich steht die Echtheit der Aufnahmen außer Zweifel“, meint Roozbeh Kaboly vom Holländischen Nationalen Fernsehen. Der Journalist, der Persisch und Arabisch spricht, ist ein langjähriger Iran-Spezialist und hat zusätzliches Bildmaterial erhalten, das al-Jazeera nicht zur Verfügung stand. „Dokumentarfilme dieser Art werden oft vom Iran gedreht. Sie bleiben aber unter Verschluss und sind nur für den internen Gebrauch der Führung.“

Die Videos geben einen Eindruck über den Kriegsalltag auf einer syrischen Militärbasis unter dem Kommando iranischer Offiziere. Syrischen Soldaten werden Anordnungen gegeben, bevor sie ins Feld ziehen. Im Gebäude der Basis ermahnen Aushänge auf Arabisch die syrischen Soldaten, mit den Fahrzeugen nicht zu schnell zu fahren. Wer das Tempolimit überschreitet und einen Unfall verursacht, dem droht Arrest. Der Sold wird für drei Monate einbehalten, und er muss „Schadenersatz für das beschädigte Auto leisten“. Für die iranischen Soldaten hängen Sicherheitshinweise auf Persisch aus: „Verboten sind Videoaufnahmen und Fotos mit Mobiltelefonen.“ Sie dürfen keine Lebensmittel und Getränke von Unbekannten annehmen.

„Ich kenne die Männer aus dem Iran“

Eine Schlüsselrolle im gesamten Material kommt einem Interview mit dem Kommandanten Ismail Ali Haydari zu. Es ist wie ein Gespräch unter Freunden, das er mit dem Dokumentarfilmer führt. „Seit acht Monaten kämpfe ich in verschiedenen Teilen Syriens, und nun bin ich eben hier in Aleppo“, gibt Haydari unumwunden zu. In Filmaufnahmen, die bisher unveröffentlicht sind, die „Die Presse“ aber einsehen konnte, ist Haydari zu sehen, wie er syrische Soldaten an der Front für Operationen einteilt. „Wir haben viele Leute, die aus verschiedenen Gegenden kommen und am liebsten zu Hause kämpfen würden. Um sie ruhigzustellen, muss man sie beschäftigen und am besten jede Nacht auf Mission schicken“, erklärt der iranische Offizier.

Die Kamera begleitet Haydari auf einer Tour durch Aleppo. Er kennt fast alle syrischen Offiziere, winkt ihnen freundlich zu oder hält auf einen kurzen Plausch bei ihnen an. „Ich kenne viele aus dem Iran“, sagt er. „Sie wurden in Teheran ausgebildet, wie viele andere der Nationalen Verteidigungskräfte eben auch.“ Haydari kritisiert den autoritären Stil der syrischen Armee. Er vergleicht sie mit dem Militär unter Schah Mohammad Reza Pahlavi, dessen Herrschaft durch die islamische Revolution 1979 beendet wurde. Haydari und seine Kollegen verteilen dagegen Schokolade. „Die Bevölkerung hat Angst vor den eigenen Truppen. Wir sind anders und behandeln unsere eigenen Leute auch anders. Wir wollen das vermitteln.“ Laut Haydaris Aussage verstehe seine Familie nicht, warum er in Syrien kämpfe. „Ich habe schon im Irak gekämpft, und das war wichtig. Aber Syrien ist noch viel wichtiger.“

Militärbegräbnis für Kommandant Haydari

Haydari lebt mittlerweile nicht mehr. Er ist in Syrien gestorben. Im Iran gab es ein aufwendiges Militärbegräbnis für den „mutigen Kommandanten“, der im Kampf gegen die jihadistischen al-Nusra-Brigaden gefallen sei. Freunde und Bekannte schrieben Gedichte über den „Märtyrer“ und veröffentlichten sie zu seinen Ehren im Internet. Ums Leben kam auch der Kameramann, der den Film gedreht hatte. Seine letzten Bilder macht er auf einem Feld in der Sommerhitze Syriens. Schüsse rattern. Man hört, wie nah sie vorbeisausen. Zwei Uniformierte mit Kalaschnikows suchen Deckung. Das Bild bleibt zwischen Grashalmen hängen. Dann wird es plötzlich schwarz.

Auf einen Blick

Der Iran ist Assads wichtigster Verbündeter. Schon bisher gab es Vermutungen, dass Teheran Syriens Machthaber Bashar al-Assad mit Waffen und Kämpfern unterstützt. Nun sind Videoaufnahmen aufgetaucht, die das belegen. Das Material wurde von syrischen Rebellen im nordsyrischen Aleppo bei gefallenen Iranern sichergestellt. Offenbar sollten die professionell gefilmten Aufnahmen als interne Dokumentation für die iranische Führung dienen. In dem Film ist unter anderem ein Interview mit dem iranischen Offizier Ismail Ali Haydari zu sehen, der in Aleppo syrische Soldaten kommandierte. Haydari erzählt, dass er viele syrische Offiziere von deren Ausbildung im Iran kenne. Mittlerweile ist er gefallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2013)

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