Lebenslang für chinesischen Ex-Politstar Bo Xilai

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Volksgericht verhängte unerwartet hartes Urteil wegen Korruption und Vertuschung eines Mordes. Der 64-Jährige hofft aber auf Ehrenrettung.

Der ob diverser Skandale in Ungnade gefallene chinesische Ex-Politstar Bo Xilai wurde von einem Volksgericht am Wochenende in allen Punkten schuldig gesprochen. Er erhält lebenslänglich – und damit eine weit strengere Strafe, als viele erwartet hatten. Niemand glaubte zwar an einen Freispruch. Doch zuletzt schien es, als ob das Gericht in der ostchinesischen Stadt Jinan gegenüber dem 64-Jährigen zumindest etwas Milde walten lassen könnte. Doch die Justiz schlug gnadenlos zu. Dabei hatte es zuerst so ausgesehen, als ob diesmal zumindest ein Hauch von Rechtsstaatlichkeit im Spiel sei: Die Verhandlung im August dauerte sehr viel länger als ursprünglich angesetzt. Zudem gelang es dem einstigen Spitzenfunktionär, sich kämpferisch und zumindest in einigen Punkten glaubwürdig zu verteidigen.

Dieser Spielraum für den Angeklagten war neu: Politische Gerichtsverhandlungen sind in China sonst Schauprozesse, bei denen das Ergebnis bereits feststeht und Angeklagte fast nichts zu sagen haben. Doch genützt hat es Bo nichts, wie die harte Strafe zeigt.

Das Volksgericht Jinan ging davon aus, dass der einstige Handelsminister und Parteichef der 30-Millionen-Metropole Chongqing bestochen, unterschlagen und sein Amt missbraucht habe. Bo habe vorsätzlich gehandelt und Bestechungsgeld in Höhe von 3,3Millionen Euro angenommen.

Mord vertuscht

Obwohl ihm theoretisch für jedes einzelne dieser Delikte auch die Todesstrafe drohte, waren viele Beobachter von einer moderaten Strafe ausgegangen. Bo Xilai ist der Sohn des verstorbenen Bo Yibo, eines der einst mächtigsten Gründungsmitglieder der Kommunistischen Partei. Und bei vergleichbaren politischen Korruptionsfällen waren die Strafen viel geringer. Doch bei Bo ging es den Richtern um mehr als nur dessen Bereicherung: Zur Last gelegt wurde ihm auch die Vertuschung des Mordes seiner Frau Gu Kailai an einem britischen Geschäftsmann im November 2011. Zunächst hieß es, der Brite sei durch eine Alkoholvergiftung ums Leben gekommen. Dass es Mord war, kam nach der Flucht des einstigen Bo-Vertrauten Wang Lijun heraus. Aus Angst um sein Leben flüchtete der damalige Polizeichef von Chongqing in ein US-Konsulat und packte aus.

Was bei dem harten Urteil aber vor allem schwer wiegen dürfte, bei der Urteilsbegründung mangels rechtlicher Grundlagen aber überhaupt nicht zur Sprache kam: Der Skandal um das Ehepaar Bo drohte im vergangenen Jahr Chinas gesamte Führungsriege zu zerreißen. Nicht nur entblößte der Skandal die Korruption in der chinesischen Führungsspitze – die Bevölkerung erfuhr auch von Intrigen auf höchster Ebene und dem luxuriösen Lebensstil der Elite.

Hoffnung auf Ehrenrettung

Bis zu seinem Sturz galt Bo als Hoffnungsträger einer einflussreichen Strömung, die eine Rückbesinnung auf Staatsgründer Mao Zedong forderte. Ein Sitz im mächtigsten Führungsgremium, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros, galt ihm als sicher. Er wurde als ernster Konkurrent zu Chinas nun amtierendem Staatspräsidenten Xi Jinping gehandelt.

Bis zum Schluss wusste Bo mit den Gefühlen seiner Anhänger zu spielen: Vergangene Woche etwa kursierte ein Schreiben an seine Familie, in welchem er versucht, sich als Märtyrer zu geben. „Mein Vater war mehrmals inhaftiert, ich werde in seine Fußstapfen treten“, stand darin.

Wegen seiner Forderung nach Reformen war Bos Vater während der Kulturrevolution mehr als zehn Jahre inhaftiert. Später, unter dem Reformer Deng Xiaoping, stieg er wieder in den engsten Führungszirkel auf. „Vater und Mutter sind gestorben, aber ihre Lehren sind mir weiterhin behilflich“, schreibt er in dem Brief. Und: Eines Tages werde sein guter Ruf wiederhergestellt sein.

Zur Person

Bo Xilai (*1949) brachte es vom Bürgermeister von Dalian bis zum Handelsminister und Chef der 30-Millionen-Stadt Chongqing. 2012 wurde er abgesetzt, man warf ihm Korruption, Bespitzelung anderer Funktionäre und die Vertuschung eines Mordes vor, den seine Frau in Auftrag gegeben haben soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2013)

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