Nachwahlanalyse von Meinungsforscher Richard Hilmer.
Die Presse: Wie bemessen Sie den Merkel-Faktor? Was macht ihren Erfolg aus?
Richard Hilmer: Merkel hat die Union neu positioniert, sie hat ihr eine Modernisierung verordnet. Die CDU hatte Probleme im Osten und bei Frauen, und das hat sie abgestellt. Sie erreicht Schichten, die der Partei verschlossen waren. Vor allem in der älteren Bevölkerung hat sie mächtig zugelegt. Ihre Art, Politik zu erklären, kommt dort gut an.
Liegt ihr Erfolg nicht auch an der Schwäche der Konkurrenz?
Es gab in Peer Steinbrück ein Gegenmodell. Er hatte im Wahlkampf Schwierigkeiten, Tritt zu fassen. Der SPD ist es nicht gelungen, ehemalige Wähler wiederzugewinnen.
Nun tut sich die Option Schwarz-Grün auf. Sind die beiden Parteien kompatibel?
Auf kommunaler Ebene und auch in den Ländern gab es ja bereits Projekte einer Zusammenarbeit. Für die Union wäre ein Eintrittspreis sehr hoch. Sie müsste Kompromisse eingehen, und das hat ihr etwa in Hamburg nicht gutgetan. Im Bund würde sich erschwerend eine Dreierkonstellation ergeben. Zwischen CSU und Grünen ist der Zündstoff in der Gesellschaftspolitik hoch.
Wie würde denn CSU-Chef Horst Seehofer seine neue Stärke in Berlin ausspielen?
Seehofer führt von vorn, autoritär. Merkel agiert von hinten, defensiv. Durch sein Pochen auf eine Pkw-Maut brachte sich Seehofer in eine eminent schwierige Lage. Da würden die Grünen nicht drüberspringen.
Wird die FDP ein Comeback schaffen?
Sie muss sich einer personellen und inhaltlichen Erneuerung unterziehen. Die Agonie hat sich angekündigt, da war nicht mehr viel an inhaltlichem Profil da. Die FDP hat nie begriffen, dass die CDU eigentlich ihr stärkster Konkurrent ist.
Kann sich die AfD als feste politische Größe in der Bundespolitik etablieren?
Das hängt von der Entwicklung des Euro ab. Wenn sich die Krise verschlimmert, dann ja.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2013)