Merkels Antithese: Der tiefe Fall des François Hollande

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Frankreichs Staatspräsident François Hollande hat die Schmerzgrenze seiner Bürger überschritten. Ungeduld und Unzufriedenheit im Land wachsen.

Paris. Der Kontrast könnte kaum krasser sein: Während sich die wiedergewählte deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Triumph sonnt, steht der französische Staatschef François Hollande im Regen. Laut Meinungsumfragen sind ihm nur noch 23 Prozent der Franzosen positiv gesinnt. Damit hat er den historischen Tiefpunkt seines sozialistischen Vorgängers François Mitterrand von 1991 erreicht.

Ungeduld und Unzufriedenheit im Land wachsen. Nach einer Vielzahl von Steuererhöhungen ist die Schmerzgrenze vor allem für Mittelschichten längst erreicht, wenn nicht sogar überschritten worden. In den Medien ist von einem „ras-le-bol fiscal“ (Steuerkoller) die Rede, der allein schon Hollandes Absturz in der Gunst erklärt. Schon jetzt ist absehbar, dass die regierende Linke im kommenden Jahr bei den Gemeindewahlen im März und der Europawahl im Mai für das Versagen ihres Präsidenten abgestraft werden dürfte.

Bezeichnenderweise haben weder der Erfolg seiner militärischen Intervention in Mali noch seine forsche Kriegsdrohung gegen Bashar al-Assad in Syrien seine Autorität gestärkt. Im Gegenteil hat die vorschnelle Ankündigung einer militärischen Intervention in Syrien bloß gezeigt, dass Hollande die Lage falsch eingeschätzt hat. Er war zu einem diplomatischen Rückzieher gezwungen, denn natürlich verfügt Frankreich nicht über die Mittel für einen Alleingang gegen Damaskus. Auch diesbezüglich ist der Vergleich mit Merkel sehr aussagekräftig. Sie hat sich im Gegensatz zu Hollande sehr zurückgehalten und auf eine breite Ablehnung einer abenteuerlichen Strafexpedition gesetzt. Das wurde ihr nicht etwa als Feigheit, sondern als kluge Vorsicht angerechnet, während FrançoisHollande mit seinem Pochen auf internationale Verträge und Prinzipien am Ende nicht als mutiger Staatsmann dasteht, sondern bloß als Maulheld.

Vor allem aber wird Hollande durch seinen innenpolitischen Misserfolg zu einem echten Problem in der Europapolitik. Da Frankreich seine ursprünglichen Sparziele in diesem Jahr nicht einhalten kann, ist Hollandes Glaubwürdigkeit auch bei seinen Partnern geschwächt. Die Fähigkeit Frankreichs zum Ausgleich ist reduziert. Die traditionell auf ein Gleichgewicht bedachte deutsch-französische Führung in der EU gerät in eine bedenkliche Schräglage.

Schräglage in Europa

Bisher hatte Paris der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands seinen politischen, diplomatischen, militärischen Einfluss entgegenzusetzen. Die Kräfteverhältnisse haben sich verändert. Das wird sich in der Debatte über die Euro- und Haushaltspolitik zeigen, bei der es Paris in den früheren Jahren immer wieder gelungen ist, Berlin Konzessionen abzuringen, auch wenn diese wie beim Wachstumspakt von 2012 eher symbolisch geblieben sind.

Dass er seine Forderung nach mehr finanzieller Solidarität, zum Beispiel in Form von Eurobonds, bis auf Weiteres vergessen kann, weiß Hollande bereits. Merkel wurde ja nicht wiedergewählt, um gegenüber dem „Club Med“, den EU-Staaten im südlichen Teil Europas, nachgiebig zu werden, sondern um erst recht einen starken Euro zu verteidigen. Schon bisher verstanden sich die beiden in der Europapolitik nicht besonders. Von der durch ihre Wiederwahl gestärkten Kanzlerin kann Hollande sicher kein spezielles Entgegenkommen erwarten. Zu offen hat er noch bis vor wenigen Monaten auf einen Sieg der mit ihm befreundeten SPD gesetzt. Auch das hat sich nun als Fehleinschätzung erwiesen, die Merkel ihm bei Gelegenheit heimzahlen kann.

Das deutsche Modell als Spiegel

Das Verhältnis zur deutschen Kanzlerin wird für Hollande außerdem zu einem innenpolitischen Dilemma. Ausgerechnet zum Zeitpunkt, da sich in Frankreich mit einem leichten Wirtschaftswachstum und ersten Anzeichen einer rückläufigen Arbeitslosigkeit positive Ergebnisse der Sparpolitik bemerkbar machen, würden weitere Reformen wie ein Zugeständnis an Pressionen oder zumindest als Versuch einer Nachahmung des deutschen Modells empfunden und entsprechend kritisiert.

Merkel und Hollande haben nun beide rund vier Regierungsjahre vor sich. Während aber die Kanzlerin mit einer Koalition Kompromisse suchen und die Macht teilen muss, hat Hollande als alleiniger Chef im Staate Frankreich keine Entschuldigung, wenn seine Rechnung nicht aufgeht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2013)

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