Italien: Nur zum Wohle des Landes

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Silvio Berlusconi stürzt Italiens Regierung in die Krise und fordert sofortige Neuwahlen. Seine Partei aber spaltet sich.

Rom. Mit dem Rückzug seiner fünf Minister hat Silvio Berlusconi just zu seinem 77. Geburtstag das Ende der Regierung und der Großen Koalition in Rom eingeläutet. Zur Begründung erklärte er am Wochenende mehrfach, der sozialdemokratische Koalitionspartner habe nichts dafür getan, die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1.Oktober zu verhindern. Berlusconi kritisierte dies als „Vertragsbruch“. Seine Partei dürfe „nicht Komplize einer erneuten hassenswerten Quälerei der Bevölkerung durch die Linken“ werden.

Dass diese Erklärung lediglich ein Vorwand ist, darin ist sich ganz Italien einig. In Wahrheit habe Berlusconi die für kommenden Freitag erwartete Aberkennung seines Parlamentsmandats verhindern wollen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Enrico Letta sprach denn auch von einem „verrückten und unverantwortlichen Schritt, der nur persönliche Angelegenheiten verdecken soll“.

Die Entscheidung, die fünf Regierungsmitglieder seiner Partei zum Rücktritt „einzuladen“, kam auch für Berlusconis eigene Leute überraschend. Gefallen war sie in überstürzter Weise am Samstag im engen Kreis einiger radikaler Mitglieder seines Führungszirkels. Das erzeugte – neben den üblichen, von Personenkult getragenen Ergebenheitsadressen – auch die Kritik hochrangiger Mitglieder von Berlusconis Partei Volk der Freiheit.

Der frühere Fraktionschef Fabrizio Cicchitto sagte, eine Entscheidung von dieser Tragweite hätte eine „vertiefte Diskussion in regulären Führungsgremien der Partei und unter den Abgeordneten“ verlangt. Ähnlich äußerte sich auch Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin. Sie werde zwar dem Rücktrittsaufruf folgen, nicht mehr aber Berlusconis Partei, die unter Regie der „Falken“ in die rechtsextreme Ecke abdrifte, sagte sie.

„Aus Liebe zum Leader“

Der Rücktritt sei „ein Akt der Liebe zur Verteidigung unseres Leaders und der Demokratie“, sagte Fraktionschef Renato Brunetta. Während das Gesetz einen Ausschluss aller Abgeordneten vorsieht, die zu zwei Jahren Haft oder mehr verurteilt sind, behauptete Berlusconi, da sei „ein Staatsstreich der Linken im Gange“. Was er selbst nun tue, das sei „nicht von persönlichen Problemen beeinflusst. Das ist nur zum Wohle des Landes.“

Regierungschef Letta kündigte nach der Rücktrittsankündigung eine kurzfristige Vertrauensabstimmung im Parlament an. Italien brauche in der aktuellen Krise eine verlässliche Regierungsmehrheit, sagte Letta. Er sei es leid, sich im Parteienstreit immer nur recht und schlecht durchschlagen zu müssen. Berlusconi solle „entweder ganz mitmachen oder es gleich sein lassen“.

Das wiederum deuteten die „Falken“ im Volk der Freiheit als Erpressung. Sie hatten bereits am vergangenen Freitag gefordert, der Ministerrat müsse Berlusconi amnestieren. Darauf wollten sich die Sozialdemokraten in der Regierung aber keinenfalls einlassen; angeblich kam es daraufhin zu einem wüsten Streit im Ministerrat.

Dabei blieb liegen, was das Kabinett eigentlich beschließen wollte: das Hinausschieben der Mehrwertsteuererhöhung auf Jänner 2014. Und Berlusconi hatte seinen Vorwand, die „vertragsbrüchige“ Regierung zu stürzen.

Während Silvio Berlusconi nun auf schnellstmögliche Neuwahlen abzielt – „Die Umfragen sagen uns, dass wir siegen werden!“ –, will Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano vor der Auflösung der beiden Parlamentskammern noch einmal die Möglichkeiten einer alternativen Regierungsmehrheit sondieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2013)

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