US-Budgetstreit: Sperrstunde in Washington

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Erstmals seit 17 Jahren müssen hunderttausende Bundesbeamte zu Hause bleiben oder ohne Lohn arbeiten. Schon in drei Wochen droht den USA die Zahlungsunfähigkeit.

Washington. Schlechte Nachrichten für Freunde der Bären, Elche und Canyons: Wer den Yellowstone-Nationalpark oder eine der anderen Naturschönheiten Amerikas besuchen will, steht ab heute, Dienstag, vor verschlossenen Toren. Denn erstmals seit 17 Jahren müssen große Teile der US-Bundesregierung zusperren, weil ihnen der Kongress das Budget verweigert.

Der Grund dafür ist schnell erklärt: Die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus will die Reform der Krankenversicherung (vulgo „Obamacare“) um jeden Preis verhindern. Sie wollen nur dann einer vorübergehenden Finanzierung des Bundeshaushalts bis Weihnachten zustimmen, wenn „Obamacare“ um ein Jahr verschoben wird. Das akzeptieren allerdings die mehrheitsführenden Demokraten im Senat nicht. Und wo keine Einigung der beiden Kammern, da kein Haushaltsgesetz.

Der Senat in Washington lehnte am Montag einen Gesetzesentwurf des Abgeordnetenhauses ab, der die Regierung vorläufig mit einem Übergangsetat über Wasser gehalten hätte. Jetzt ist wieder das von den Republikanern beherrschte Abgeordnetenhaus am Zuge. Reagiert es erneut mit einem Entwurf, der eine Übergangsfinanzierung mit der Gesundheitsreform ("Obamacare") verbindet, ist es wahrscheinlich, dass die Regierung mangels eines neuen Haushalts ab Mitternacht (Ortszeit/6.00 MESZ) finanziell auf dem Trockenen sitzt.

Medizinforschung gestoppt

Das amerikanische Staatswesen wird nicht zum vollständigen Stillstand kommen. Zwar müssen rund 825.000 der zwei Millionen Bundesbediensteten fürs Erste ohne Gehalt zu Hause bleiben. Die Post wird allerdings weiterhin ausgetragen werden, das FBI weiterhin Verbrecher jagen, Fluglotsen werden weiterhin für sicheren Flugverkehr sorgen, und auch die beiden Nasa-Astronauten Mike Hopkins und Karen Nyberg müssen sich kein Raumschiff basteln, um von ihrem Dienst auf der internationalen Raumstation ISS zurück zur Erde zu kommen. Das Abgeordnetenhaus hat zudem einstimmig ein Zusatzgesetz beschlossen, mit dem die Besoldung der amerikanischen Streitkräfte gesichert ist.

Doch zahlreiche wichtige Dinge, die von den Bundesbehörden durchgeführt oder bezahlt werden, fallen vorerst aus. 70 Prozent der Beschäftigten an den renommierten National Institutes of Health bekommen kein Gehalt mehr: Dort finden unter anderem weltweit bahnbrechende Studien für die Bekämpfung von Krebs, Alzheimer und anderen Krankheiten statt. Und auch die Anträge von Kleinunternehmern auf Gewährung staatlich gestützter Darlehen bleiben fürs Erste unerledigt auf den Schreibtischen des Wirtschaftsministeriums liegen.

2013 ist ganz anders als 1996

Wie lange dieser Ausnahmezustand dauern wird, ist nicht abzusehen. Der bisher letzte Shutdown dauerte vom 16. Dezember 1995 bis zum 5. Jänner 1996. Das waren also 21 Tage.

Doch der Vergleich mit der damaligen Sperrstunde unter Präsident Bill Clinton ist nicht angemessen. Die politischen Verhältnisse im Land haben sich seit damals stark verändert und wesentlich radikalisiert. Die damalige Blockade wurde von der Führungsspitze der Republikaner im Kongress eröffnet. Heute hingegen kommt der Druck, dem Präsidenten eins auszuwischen und seine Gesundheitsreform zu torpedieren, von der republikanischen Basis im Repräsentantenhaus. Diese Mandatsträger sind durch die Bank mit Unterstützung der Obama-feindlichen Tea-Party-Bewegung in den Kongress gekommen und müssen sich bei ihr alle zwei Jahre mit immer schrilleren Forderungen für die Wiederwahl auszeichnen.

Anders als 1996 hält sich der Präsident dieses Mal aus der Affäre heraus. Bill Clinton focht den Streit mit seiner republikanischen Nemesis New Gingrich aus. Obama hingegen überlässt die Drecksarbeit Harry Reid, seinem Mehrheitsführer im Senat.

Diese dysfunktionale Aufstellung könnte schon in drei Wochen zu einem echten Problem für Amerika und für die gesamte Weltwirtschaft werden. Denn am 17. Oktober wird das Finanzministerium die Grenze zur Aufnahme neuer Schulden von 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro) erreicht haben. Gerade einmal 30 Milliarden Dollar Cash werde er dann noch ausgeben können, warnte Finanzminister Jack Lew vergangene Woche: Das reicht, je nach eintrudelnden Rechnungen, an manchen Tagen gerade einmal bis Mittag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)

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