Wie islamophob ist Frankreich?

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Ein Streit erhitzt die Republik. Die Muslimfeindlichkeit habe stark zugenommen, sagen die einen. Die anderen sprechen von einer gezielten Taktik der Fundamentalisten.

Paris. Niemand würde bestreiten, dass in der französischen Gesellschaft ein Problem mit den muslimischen Mitbürgern existiert. Nur, wie soll man es benennen? Von den „Ungeliebten“ der Nation spricht der Journalist Claude Askolovitch in seinem Buch „Nos mal-aimés: Ces musulmans dont la France ne veut pas“, das (zwangsläufig) eine Polemik ausgelöst hat. Schon allein die Tatsache, dass da ein Atheist aus einer jüdischen Familie in einer Art Tour de France die Begegnung mit Muslimen sucht, brachte ihm den Vorwurf der Voreingenommenheit ein.

Askolovitch stellt die These auf, dass die weltliche Republik in ihrem Versuch, das Zusammenleben gegen religiöse Beeinflussung zu schützen, „zu weit“ gegangen sei. Damit aber stehe Frankreich nun vor einem anderen Problem, der Islamophobie. Laut Wörterbuch bezeichnet dieser Begriff die Angst vor dem Islam.

Nur ein künstliches Problem?

In seinem Bestreben, sich gegen fundamentalistische Übergriffe zu wehren, fördere der weltliche, konfessionell neutrale Staat jedoch eine pauschale Feindseligkeit gegenüber dieser Religion, welche auch zwei andere Autoren, Marwan Mohammed und Abdellali Hajjat, als Islamophobie bezeichnen. Schon im Untertitel ihres Werks, „Wie die französischen Eliten das ,muslimische Problem‘ geschaffen haben“, setzen die beiden Soziologen voraus, dass es sich um ein künstliches, wenn nicht sogar fabriziertes Problem handelt und dass die Islamophobie wie ein ideologisches Schreckgespenst eingesetzt wird, um die Gesellschaft (unnötigerweise) zu ängstigen.

Der Innenminister, Manuel Valls, der auch für die Glaubensfreiheit zuständig ist, lehnt eine solche Sicht empört ab. Er hält die Islamophobie im Gegenteil für ein Konzept radikaler Muslime im Stil der Salafisten, das diese als Trojanisches Pferd zur Destabilisierung der Grundfesten des Zusammenhalts der Republik einsetzen würden. Wie schon vor ihm die Fernsehjournalistin Caroline Fourest glaubt Valls zu wissen, dass dieser Begriff nicht zufällig Ende der 1970er von iranischen Mullahs erfunden worden sei. Das ist zumindest nicht ganz exakt, da das jetzt so umstrittene Wort bereits in der 1920er-Jahren in Frankreich existierte. Neu ist für Fourest aber die Instrumentalisierung in der gegenwärtigen Auseinandersetzung: „Das Ziel der Fundamentalisten ist es, glauben zu machen, wer den Islam kritisiert, sei (automatisch) muslimfeindlich. Damit wollen sie jede feministische oder weltliche Kritik verhindern.“

Negative Einstellungen zu Muslimen

Als eine sehr reelle Form von Rassismus erfasst dagegen das Collectif contre l'islamophobie en France (CCIF) alle Diskriminierungen und Aggressionen gegenüber Muslimen. Dass der Innenminister die offizielle Abstempelung dieser Phänomene als islamophob nicht zulassen will, ist für das CCIF höchst bezeichnend für die herrschende Islamfeindlichkeit. Der Religionsforscher Raphaël Liogier bestätigt: „Indem sie sagen, der Begriff sei von Fanatikern erfunden worden, versuchen Valls oder Fourest diesen unanwendbar zu machen. Doch es handelt sich um eine soziale Realität.“ Seit dem 11.September 2001 sei die Feindseligkeit gegenüber Muslimen gewachsen. „Heute sagen drei von vier Franzosen, sie hätten ein negatives Bild vom Islam“, führt der Religionsforscher aus.

Ob Frankreichs aktuelle Islamophobie-Debatte zu einem fruchtbaren Ergebnis führen wird, ist noch offen. Manche, wie der Soziologe Marwan Mohammed, bezweifeln das. Die Begriffsstutzigkeit und die gegenseitige Disqualifizierung in dieser Polemik verhindere den notwendigen Dialog, erklärt Mohammed. Hinter dem Streit um einen Begriff und dessen Definition verbergen sich indes weit größere Meinungsverschiedenheiten, die sich nicht mit dem Wörterbuch klären lassen.

ZUR SACHE

Islamophobie-Debatte. Der französische Journalist Claude Askolovitch hat mit seinem Buch „Nos mal-aimés: Ces musulmans dont la France ne veut pas“ eine Debatte über Muslimfeindlichkeit in Frankreich provoziert. Askolovitch behauptet, dass die Republik in ihrem Versuch, das Zusammenleben gegen religiöse Beeinflussung zu schützen, „zu weit“ gegangen sei. Andere, wie die Fernsehjournalistin Caroline Fourest oder Innenminister Manuel Valls, halten den Begriff der Islamophobie für ungeeignet. Er würde über gerechtfertigte Kritik am Islam ein Redeverbot verhängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2013)

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