Cameron: „Eure Wahl: Drinnen oder draußen“

David Cameron
David Cameron (c) imago/i Images
  • Drucken

Premier Cameron positioniert sich mit dem Europathema für die Wahl im Mai 2015. Seine Ziele für die Neuverhandlung der Kompetenzverteilung mit der EU bleibt er schuldig.

London/Manchester. Unter den zahlreichen Behauptungen, mit denen der britische Premier David Cameron seine konservative Partei diese Woche auf ihrem Jahreskongress in Manchester in Stimmung brachte, stach eine Aussage hervor: „Wir haben Verbündete gefunden, um Kompetenzen aus Brüssel zurückzuholen.“ Wen er damit meinte, ließ er vorerst ungesagt. Das wundert wenig, hatte doch erst zu Wochenbeginn die Ankündigung Camerons, Großbritannien könnte einen Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention in Erwägung ziehen, für reichlich Missfallen gesorgt.

Dem britischen Premier kam dies gerade recht. Es half ihm, gegenüber der eigenen Partei seine Glaubwürdigkeit als Europaskeptiker kräftig aufzupolieren. Europa ist eines jener Themen, bei denen Politik in Großbritannien nach den Gesetzen des Pawlow'schen Reflexes zu funktionieren scheint: Ein britischer Politiker sagt etwas Anti-Europäisches, ein europäischer Politiker (meist entweder Kommissionspräsident José Manuel Barroso oder der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz) kritisiert die Aussage, und der britische Politiker erntet zu Hause Zustimmung und Anerkennung.

Das war auch in dieser Woche nicht anders. Cameron nahm den EU-Gegnern weitgehend den Wind aus den Segeln. Selbst ein von Medienhysterie begleiteter Auftritt des aktuellen „Gottseibeiuns“ der Konservativen, des Europagegners Nigel Farage von der United Kingdom Independence Party (UKIP), brachte den Premier nur ein wenig ins Schwitzen. Farages „Angebot“ zu Bündnissen in Wahlkreisen mit knapper Mehrheit wurde schnöde abgewiesen. „So etwas machen Tories nicht“, erklärte Schatzkanzler George Osborne bestimmt.

Tories hinter Labour Party

Letzterer ist nicht nur Chefstratege der Konservativen, sondern geradezu das Paradebeispiel der abgehobenen, materiell aller Sorgen ledigen und der Basis entfremdeten Führungsclique, die der Regierung hartnäckig schlechte Umfragewerte einträgt. Mit 31 zu 42 Prozentpunkten liegen die Tories 20 Monate vor der Wahl im Mai 2015 deutlich hinter der Labour-Opposition. Schon in der Syrien-Abstimmung hat Cameron einen hohen Preis für die Geringschätzung seiner Partei bezahlt.

Daher ist es nicht bedeutungslos, wenn etwa der einflussreiche Abgeordnete Graham Brady verlangt, dass Cameron seine Ziele für die Neuverhandlung der Kompetenzverteilung mit der EU endlich darlegt: „Es ist entscheidend, dass wir hier Klarheit schaffen“, sagte er und ergänzte: „Die Ironie ist: Wenn wir keine radikale Neuordnung erreichen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrheit für einen Austritt stimmt, wesentlich größer.“

Nach einer aktuellen Umfrage würden derzeit 42 Prozent der Briten für einen Austritt aus der EU stimmen, 39 Prozent wollen in der Staatengemeinschaft bleiben. Bei einer Neuverteilung der Macht zugunsten Londons sinkt die Zahl der Austrittswilligen aber auf 29 Prozent.

Cameron bleibt eine Klarstellung weiter schuldig, obwohl selbst Außenminister William Hague einräumt: „Wir müssen erst Fleisch auf den Knochen bekommen.“ Der Premier hingegen verharrt im Ungefähren: „Wir wollen keine immer mehr zusammenwachsende Union. Das haben wir Briten nicht unterschrieben.“ Was genau neu zu verhandeln wäre, hat bisher auch die große Überprüfung der Kompetenzverteilung zwischen London und Brüssel nicht ergeben. Eine Untersuchung des Außenministeriums beurteilt die aktuelle Lage aber als „vorteilhaft für Großbritannien“.

Referendum über EU-Verbleib

Statt an der Substanz arbeitet Cameron an der Positionierung für die kommende Wahl. In seiner Rede am 23. Jänner hatte er eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU im November 2017 versprochen. Die mitregierenden Liberaldemokraten lehnen das ganz klar ab, Labour zögert (nicht ohne parteiinterne Widerstände), UKIP will den sofortigen Austritt. Cameron wirbt bereits damit, dass seine Partei die einzige sei, die der Bevölkerung auch eine Stimme gibt: „Ihr habt die Wahl: Drinnen oder draußen“, verkündete er am Parteitag.

Den Jubel der Delegierten trugen auch seine ärgsten Gegner mit, denn wenn die Tories noch eines eint, dann ist es die Entschlossenheit, Labour-Chef Ed Miliband („Red Ed“) den Zutritt zur Downing Street zu verwehren. Der Slogan „Wähle UKIP, bekomme Labour“ könnte Wirkung zeigen – besonders, wenn er in europafeindlichen Tönen gesungen wird.

Der britische Wahlkampf ist eröffnet, und Europa wird sein Hauptschauplatz sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.