Kurz vor Fristablauf standen die Zeichen im US-Haushaltstreit auf Kompromiss. Doch die zweiwöchige Schließung von Ministerien und Behörden haben Bürger und Firmen bereits stark geschädigt.
Washington. Ein Schrecken, ein Ende: Nach zweiwöchiger Blockade großer Teile der US-Bundesregierung herrschte am Mittwoch bei den Republikanern im Kongress Resignation. „Was soll's, bringen wir es hinter uns“, zitierte Robert Costa, Kongressreporter der konservativen „National Review“, am Mittwoch in der Früh den Wunsch eines republikanischen Kongressabgeordneten, die Schuldengrenze doch zu erhöhen und den Shutdown der Regierung für vorerst drei Monate zu beenden.
Tatsächlich einigten sich Demokraten und Republikaner im Senat dann im Verlauf des Tages auf einen Kompromiss: Er sieht die Anhebung der Schuldenobergrenze bis zum 7. Februar 2014 und ein Übergangsbudget bis zum 15. Jänner vor. Bis 14. Dezember muss eine Arbeitsgruppe beider Parteien und beider Kammern des Kongresses einen umfassenden Vorschlag zur Reform des Haushalts vorlegen. Damit wäre die Zahlungsunfähigkeit der USA fürs Erste abgewendet. Ausständig war bei Redaktionsschluss noch die Zustimmung im Repräsentantenhaus. Doch alles deute in diese Richtung.
US-Präsident Barack Obama rief nach Bekanntwerden der Einigung den Kongress zur raschen Umsetzung auf. Der Deal müsse nun umgehend in Gesetzesform gegossen werden, verlautete aus dem Weißen Haus. Obama dankte auch dem Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid, so wie dem obersten Republikaner im Oberhaus, Mitch McConnell, für ihre Bemühungen zum Zustandekommen des Kompromisses.
Reid sprach von einer „historischen“ Einigung, die erreicht worden sei: „Sie wird unserer Wirtschaft wieder die Stabilität geben, die sie benötigt.“ Anleger in aller Welt reagierten mit großer Erleichterung auf den sich abzeichnenden Durchbruch im amerikanischen Haushaltsstreit. An der New Yorker Börse gab es im Verlauf des Mittwoch bereits deutliche Kursgewinne, der deutsche Aktienindex Dax kletterte auf einen Höchststand.
Doch auch wenn hunderttausende zwangsbeurlaubte Beamte wieder an ihre Schreibtische zurückkehren und die USA neue Anleihen auf die Märkte bringen, ist der wirtschaftliche und politische Schaden enorm. So konnten keine Ausfuhrgenehmigungen für hochtechnologische Güter von Unternehmen wie Cisco Systems ausgestellt werden, weil die Beamten des „Bureau of Industry and Security“ keinen Dienst versahen. Wie viele Aufträge amerikanischen IT-Unternehmen dadurch entgangen sind, ist schwer abschätzbar. Im Jahr 2012 stellte diese Behörde laut dem „American Shipper“-Magazin 23.229 Exportgenehmigungen über Ausfuhren im Gesamtwert von 204,1 Milliarden Dollar (151 Mrd. Euro) aus.
Schaden in Milliardenhöhe
Die Kosten werden in Milliardenhöhe steigen: Die Marktforschungsfirma IHS Global schätzt, dass jeder Tag des Shutdown 160 Millionen Dollar kostet. Goldman Sachs meint, dass er ein Fünftel des heurigen US-Wirtschaftswachstums vernichten wird.
Und er trifft auch einfache Leute. Ein schwerer Schneesturm tötete vor zwei Wochen im Mittleren Westen zehntausende Stück Vieh. Die Bauern bekommen für ihre teils existenzbedrohenden Verluste auf unbestimmte Zeit keine Entschädigungen vom US-Landwirtschaftsministerium, weil auch dort die meisten Sachbearbeiter nicht arbeiten dürfen.
Die Krabbenfischerei in Alaska, die normalerweise in einer dreimonatigen Jahressaison einen Umsatz von 200 Millionen Dollar erzielt, dürfte wegen des Shutdown ein Drittel verlieren: Die Fischer bekommen derzeit keine Fanglizenzen ausgestellt.
China höhnt und bangt
Abseits des Schadens an der heimischen Wirtschaft stellen Shutdown und Schuldenkrise auch die globale Dominanz der USA infrage. Zahlreiche Banken und Fonds haben sämtliche kurzläufigen US-Schuldverschreibungen verkauft, um das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit Washingtons zu umschiffen. „Es ist möglicherweise ein guter Zeitpunkt, sich zu überlegen, eine de-amerikanisierte Welt zu bauen“, höhnte die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2013)