Deutschland: SPD gerät bei EU-Politik ins Abseits

SPD gerät bei EU-Politik ins Abseits
SPD gerät bei EU-Politik ins Abseits(c) EPA (HANNIBAL HANSCHKE)
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Die CDU will eine noch schärfere gemeinsame Kontrolle in der Eurozone. Von der SPD kommt wenig inhaltlicher Widerstand, ihr geht es vor allem um Personalfragen.

Wien/Berlin. Die SPD steigt auf eine schiefe Ebene. Die Europapolitik, die in den Koalitionsverhandlungen in Berlin besprochen werden muss, ist unbestrittenes Terrain von CDU-Chefin Angela Merkel. Sie hat in den letzten vier Jahren mit ihrem harten Kurs in der Schuldenkrise die Wähler hinter sich gebracht und will keinen Millimeter davon abrücken. Die SPD hat außerdem im Bundestag alle wichtigen Entscheidungen – vom Euro-Rettungsschirm bis zum Fiskalpakt – mitgetragen. Obwohl sich die französischen Sozialisten und die Pasok in Griechenland nichts sehnlicher wünschen, als einen Kurswechsel in Berlin, dürfte dieser zumindest vorerst ausbleiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will ihre EU-Position sogar weiter schärfen. Sie setzt auf einen Ausbau der gemeinsamen Budgetkontrolle in der Eurozone. Von sozialdemokratischen Forderungen nach Eurobonds – einer Vergemeinschaftung von Schulden zur Wachstumsstimulierung – will sie nichts wissen und weiß auch in dieser Frage die Stimmung im Land hinter sich. Offen zeigt sie sich lediglich bei einem Vorschlag, der eigentlich von ihr selbst kommt. Sie tritt für ein eigenes Eurobudget der Teilnehmerländer der Währungsunion ein. Es soll allerdings nur jenen Ländern zugutekommen, die sich an die Budgetvorgaben halten.

Einen Ausbau der fiskalen Kontrollkompetenzen in Brüssel sieht die SPD ebenso kritisch wie eine Vertragsänderung. „Das ist mit uns nicht zu machen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Axel Schäfer noch kürzlich gegenüber Spiegel Online. Aber der Protest verhallte rasch. Merkel will diese Pläne bereits in dieser Woche beim EU-Gipfel in Brüssel thematisieren.

Die grundsätzliche Linie Deutschlands dürfte sich durch den Eintritt der SPD in eine Koalition mit CDU/CSU kaum ändern. Es bleibt bei der Forcierung der Haushaltskonsolidierung und der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Merkel will bei den nächsten EU-Gipfeltreffen auf einen Wettbewerbspakt drängen, der alle Euroländer dazu verpflichtet, die Voraussetzungen für die Wirtschaft zu verbessern. Die EU-Kommission soll die Umsetzung des Pakts kontrollieren. Ähnlich wie bei der Budgetkonsolidierung über den Fiskalpakt geht es Merkel um noch mehr Verbindlichkeiten. Experten warnen freilich davor, dass eine verpflichtende Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit letztlich auch zu Anpassungen im Sozial- und Pensionssystem führen könnte. Das wiederum würde jene Kompetenzen aushöhlen, die bisher noch gänzlich in der Hand der EU-Mitgliedstaaten sind.

Kommissionspräsident für SPD

Die SPD hat bisher wenig inhaltliche Wünsche in der Europapolitik geäußert. Sie setzt derzeit eher auf Ressort- und Personalfragen. Kernforderung ist das Finanzministerium, das nach derzeitigen Plänen an Frank-Walter Steinmeier gehen soll. Eine Ablöse von Wolfgang Schäuble als Aushängeschild der deutschen Fiskallinie in der Euro-Gruppe könnte letztlich auch inhaltliche Veränderungen zur Folge haben. Gleichzeitig will die SPD ihren Parteikollegen und bisherigen Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, für einen Kommissarsposten in Brüssel in Stellung bringen. Schulz soll als Spitzenkandidat aller sozialdemokratischen Parteien in Europa dann sogar zum Kommissionspräsidenten gewählt werden.

Gegen beide Forderungen gibt es allerdings noch Widerstand in der CDU. Die Christdemokraten wollen ungern auf das einflussreiche Finanzministerium verzichten. Auch gibt es Bestrebungen, dass EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) doch noch eine weitere Amtsperiode in Brüssel bleiben soll. Letztlich schließt aber niemand in der Partei aus, dass ein oder schließlich sogar beide Posten an die SPD gehen könnten.

Um die SPD nicht vorzeitig in der Europapolitik zu überfahren, will Merkel diese Woche ihre Vorstellungen für den kommenden EU-Gipfel mit SPD-Chef Sigmar Gabriel abstimmen. „Es ist normal, dass eine Bundesregierung, die geschäftsführend ist, zu wichtigen Themen den Kontakt zu dem Koalitionspartner in spe sucht“, so Regierungssprecher Steffen Seibert.

AUF EINEN BLICK

Merkels Pläne. Die deutsche Bundeskanzlerin will die fiskale Kontrolle in der Eurozone verschärfen und neben dem Fiskalpakt nun auch einen Wettbewerbspakt forcieren. Er soll die Teilnehmerländer dazu zwingen, die Voraussetzungen für die Wirtschaft zu verbessern. Der mögliche Koalitionspartner SPD setzt auf wichtige Schlüsselposten in der Europapolitik – auf den künftigen Finanzminister und den deutschen EU-Kommissar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2013)

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