EU will Klarheit: Was wusste Obama über Abhör-Ziele?

USRegierung soll Merkelueberwachung Sommer
USRegierung soll Merkelueberwachung Sommer(c) REUTERS (POOL New)
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Das Weiße Haus will erst heuer erfahren haben, dass die NSA internationale Spitzenpolitiker belauscht. Eine interne Untersuchung soll offene Fragen klären.

Obama reagiert, wenn auch verhalten und indirekt, auf die jüngsten Enthüllungen über NSA-Spionage internationaler Spitzenpolitiker wie Angela Merkel. Die Schlagzeilen, die der US-Geheimdienst NSA mittlerweile auch in den USA macht, haben den Präsidenten unter Zugzwang gebracht. Doch es ist vor allem der internationale Druck, der Obama zum Handeln zwingt. Präsident Barack Obama habe angeordnet, "unsere Überwachungskapazitäten zu überprüfen, das betrifft auch unsere engsten ausländischen Partner und Verbündeten", erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Caitlin Hayden, am Montag.

Damit solle "den Sicherheitsbedenken unserer Bürger und Verbündeten angemessen begegnet" werden, erklärte Hayden. Gleiches gelte für den Schutz der Privatsphäre. Ungeachtet dessen müsse gewährleistet sein, dass die Aktivitäten der Nachrichtendienste "so effektiv wie möglich unsere Außenpolitik und nationalen Sicherheitsziele unterstützen". Hayden verwies auf die "beispiellosen Datenströme" innerhalb einer immer stärker vernetzten Welt, die bewältigt werden müssten.

Der US-Geheimdienst NSA hat einem Medienbericht zufolge bis vor wenigen Wochen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bespitzelt. Die Abhöraktion sei nach einer von der Regierung in Washington im Sommer in Auftrag gegebenen internen Untersuchung eingestellt worden, berichtete das "Wall Street Journal" am Sonntag (Ortszeit) online unter Berufung auf US-Regierungsvertreter.

Dabei sei herausgekommen, dass die NSA rund 35 internationale Spitzenpolitiker überwache. Als das Weiße Haus davon erfahren habe, seien einige Abhöraktionen gestoppt worden, darunter auch die gegen Merkel, wurde ein hochrangiger Regierungsvertreter zitiert. Dem Bericht zufolge deutet dies darauf hin, dass US-Präsident Barack Obama bis dahin nichts von den Bespitzelungen wusste.

Europaweite Kritik

Der britische "Guardian" hatte vergangene Woche unter Berufung auf Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden berichtet, dass die NSA die Telefon-Kommunikation von 35 Top-Politikern überwachte. Das NSA-Dokument stammte demnach aus dem Jahr 2006.

In Berlin und in Europa wächst der Ärger über die USA über die Überwachungsaktionen des US-Geheimdienstes NSA und britischer Dienste gegen Spitzenpolitiker und Millionen erfasste Telefonate in Frankreich, Italien und Spanien. Die Frage dabei ist auch, was US-Präsident Barack Obama wusste. Zur Aufklärung der NSA-Abhöraffäre wird der deutsche Bundestag voraussichtlich einen U-Ausschuss einsetzen. Nach Linkspartei und Grünen verlangt auch die SPD ein solches Gremium.

Der "Spiegel" berichtete unter Berufung auf einen Auszug aus einer geheimen NSA-Datei, Merkels Handy stehe seit 2002 auf einer NSA-Liste mit Aufklärungszielen. Zu dieser Zeit war Merkel noch gar nicht Bundeskanzlerin, sondern Vorsitzende der CDU, damals die größte Oppositionspartei. Der Ausspähauftrag galt demnach wohl auch noch wenige Wochen vor dem Berlin-Besuch von Obama im Juni.

Die deutsche Regierung will trotz der mutmaßlichen NSA-Abhöraktion gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an den Verhandlungen über ein transatlantisches Wirtschaftsabkommen mit den USA festhalten. Das deutsche Interesse an einem Freihandelsabkommen sei ungebrochen, sagte hat Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Italien und Spanien im NSA-Visier

Wirbel um die NSA-Aktivitäten gibt auch in anderen Ländern: Die römische Polizei hat die Kontrollen bei diplomatischen Vertretungen und vor allem nahe der Botschaft der USA verstärkt. Spürhunde und Anti-Sabotage-Einheiten seien im Einsatz, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Montag berichtete. Kontrolliert werden vor allem die Gullys und Kanalschächte bei den Botschaften und bei internationalen Institutionen in der italienischen Hauptstadt.

Laut der US-Webseite Cryptome soll der US-Geheimdienst NSA zwischen 10. Dezember 2012 und 8. Jänner 2013 rund 46 Millionen Telefongespräche in Italien erfasst haben. Der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald hatte zuvor dem Nachrichtenmagazin "L ́Espresso" berichtet, dass sich auch die britischen Geheimdienste Zugang zum Kabelsystem optischer Fasern verschafft habe, über das Telefonanrufe, Mails und der Internet-Informationsstrom in Italien verlaufen.

(APA/dpa/Reuters)

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