Deutschland: Innenminister will US-Diplomaten ausweisen

Deutschlands Innenminister Hans-Peter Friedrich
Deutschlands Innenminister Hans-Peter Friedrich(c) REUTERS (TOBIAS SCHWARZ)
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Lange wollte Hans-Peter Friedrich nichts über die USA kommen lassen, sprach von falschen Verdächtigungen. Nun geht er in die Offensive. Und die CDU sperrt sich nicht mehr gegen einen U-Ausschuss.

Berlin/Washington. Seine Worte von Mitte August würde Deutschlands Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wohl gern ungesagt machen: Alle Vorwürfe bezüglich der Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland hätten sich „in Luft aufgelöst“, meinte Friedrich damals. Zwei Monate später sind von dem Minister, der sich in der Affäre lange betont US-freundlich gegeben hat, ganz andere Töne zu hören: Er drohte am Montag damit, US-Geheimdienstmitarbeiter, die unter dem Schutzmantel eines Diplomatenpasses an Abhöraktivitäten – nicht zuletzt gegen Kanzlerin Angela Merkel – beteiligt seien, auszuweisen. Diese Leute müssten „zur Rechenschaft gezogen“ werden, sagte Friedrich dem Sender N24. Für Diplomaten gelte zwar ein Sonderstatus, aber „man kann sie des Landes verweisen“.

Vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst NSA offenbar mindestens eines von Merkels Handys überwachte. Wie der „Spiegel“ am Sonntag unter anderem auf Basis von Dokumenten aus dem Fundus des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden berichtete, bestand der Überwachungsauftrag seit 2002 (damals war Merkel noch nicht Kanzlerin, sondern nur CDU-Chefin) und dauerte bis Sommer 2013, als fast in Tagesfrequenz Enthüllungen über die US-Spähpraktiken lanciert wurden.

Mittlerweile bestreiten die USA gar nicht mehr, Merkel abgehört zu haben, man versucht lediglich, Schadensbegrenzung zu betreiben und Präsident Barack Obama aus der Schusslinie zu nehmen. Der hat sich bei Merkel telefonisch – via Festnetz – entschuldigt und versichert, er hätte die Überwachung ihres Handys sofort gestoppt, wenn er denn davon Kenntnis gehabt hätte.

Nutzen von U-Ausschuss fraglich

Die NSA betreibe so viele Abhöraktivitäten dass es nicht praktikabel sei, den Präsidenten über alle zu informieren, zitierte das „Wall Street Journal“ Regierungsquellen. Anders formuliert: Das Ausspähen der Regierungschefin eines befreundeten Landes ist unterhalb der Schwelle dessen, was man dem Präsidenten mitteilen müsste, und damit Routine. War es ja auch, in Summe wurden 35 internationale Spitzenpolitiker überwacht, wie die Behörden zugeben. Bei einigen, darunter Merkel, sei dies eingestellt worden. Bei anderen nicht, denn die Programme würden weiter nützliche Erkenntnisse liefern.

In Deutschland steht nun – wieder – die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Raum. Grüne und Linkspartei fordern ihn vehement, die SPD, deren Stimmen benötigt würden, ist auch dafür, und die CDU scheint sich, anders als vor der Bundestagswahl, auch nicht mehr dagegen zu sperren. Der Nutzen eines solchen Ausschusses wäre freilich begrenzt, wie Grünen-Veteran Hans-Christian Ströbele einräumt: Die Abgeordneten könnten ja nicht einfach die Polizei in die US-Botschaft schicken, damit diese „oben auf dem Speicher nachguckt, ob da tatsächlich Antennen sind“. Zeugen aus den USA oder gar Akten werde man nicht bekommen. Am 18. November soll es zunächst eine Sondersitzung des Bundestages zu dem Thema geben.

Cameron droht britischen Medien

Ebenfalls unglücklich über die Enthüllungen, die auch britische Dienste betreffen, ist Londons Premier David Cameron, allerdings aus ganz anderem Grund: Ihm gehen sie viel zu weit. Er drohte deshalb am Montag Zeitungen mit Maßnahmen, sollten sie „kein gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein" zeigen. Namentlich nannte er den „Guardian", der mit dem Veröffentlichen „schädlicher Informationen" fortfahre.

Die Enthüllungen gehen derweil munter weiter: Der britische Journalist Glenn Greenwald, der eng mit Snowden zusammenarbeitet, schrieb am Montag, die NSA habe in Spanien allein zwischen 10. Dezember 2012 und 8. Jänner 2013 mehr als 60,5 Millionen Telefonate ausspioniert. Der US-Botschafter wurde am Montag ins Madrider Außenamt zitiert, um die seit Tagen kursierenden Vorwürfe zu klären. (hd/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2013)

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