Assads Chemiewaffen-Arsenal unbrauchbar gemacht

File photo of U.N. chemical weapons expert holding a plastic bag containing samples from one of the sites of an alleged chemical weapons attack in Ain Tarma
File photo of U.N. chemical weapons expert holding a plastic bag containing samples from one of the sites of an alleged chemical weapons attack in Ain TarmaREUTERS
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Tausend Tonnen Chemiewaffen wurden sicher versiegelt und alle Produktionsstätten im Bürgerkriegsland zerstört. Das teilte die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen am Donnerstag überraschend mit.

Das gesamte syrische Chemiewaffenarsenal ist nunmehr unter Verschluss. Wie die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) am Donnerstag in Den Haag überraschend bekannt gab, sind die rund tausend Tonnen chemischer Waffen und Kampfstoffe sicher versiegelt. "Und zwar mit Siegeln, die nicht gebrochen werden können", wie OPCW-Sprecher Christian Chartier gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte.

Die OPCW bestätigte zudem, dass die Produktionsstätten für die Waffen funktionsuntüchtig gemacht wurden. Rechtzeitig vor dem Ablauf der Frist des UN-Sicherheitsrats am Samstag seien auch die letzten Anlagen unbrauchbar gemacht worden, sagte ein OPCW-Vertreter am Vormittag. Der UNO-Sicherheitsrat hatte im September die Zerstörung aller syrischen Chemiewaffen angeordnet; Syrien hatte sich bereit erklärt, dem Folge zu leisten.

Damit hielt die Führung in Damaskus eine wichtige Frist im Rahmen der international vereinbarten Vernichtung seiner Chemiewaffen ein. Der von den USA und Russland ausgehandelte Plan sieht vor, dass Syrien alle seine Geräte zur Giftgas-Herstellung bis zum 1. November unter Aufsicht der OPCW zerstört. Bis zum 30. Juni 2014 sollen dann auch alle Chemiewaffenbestände vernichtet sein - ein konkreter Zeitablauf dafür wird bis Mitte November festgelegt. Wie berichtet, hat Österreich der OPCW die Arbeit von bis zu 20 Experten sowie eine C-130 Hercules-Maschine zur Unterstützung angeboten.

Die Vereinbarung zu den syrischen Chemiewaffen war unter russisch-amerikanischer Vermittlung zustande gekommen. Nach einem Chemiewaffen-Einsatz am 2. August nahe Damaskus hatten die USA mit einem Militärschlag gedroht. Daraufhin willigte Syrien dem Vorschlag zur Vernichtung seiner Giftgas-Arsenals ein. In dem Land tobt seit zweieinhalb Jahren ein Aufstand gegen die Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad. Bei den Kämpfen sollen mehr als 100.000 Menschen getötet worden sei.

Friedenskonferenz wackelt

Die für Ende November geplante internationale Friedenskonferenz zu Syrien steht indes weiter auf wackeligen Beinen. Weder die Syrer noch die Opposition haben irgendetwas Neues für 'Genf-2' auf den Tisch gelegt", sagte ein westlicher Diplomat in Beirut. "Die Voraussetzungen für die Abhaltung einer solchen Konferenz sind immer noch nicht gegeben", fügte er hinzu.

Der UNO-Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi hielt sich am Donnerstag weiter in Damaskus auf. Bei seinem Treffen mit Assad hatte dieser am Vortag verlangt, dass die Unterstützung der "Terroristen" durch den Westen und mehrere arabische Staaten aufhören müsse. Mit Terroristen meint Assad die Aufständischen. Doch auch etliche Rebellen und Oppositionellen sträuben sich gegen eine Teilnahme an der Genfer Konferenz. Sie sind verärgert darüber, dass Brahimi den Iran mit an den Verhandlungstisch eingeladen hat. Teheran unterstützt das Assad-Regime mit Geld, Waffen und Militärberatern.

Zwei Millionen Menschen auf der Flucht

Seit Ausbruch des Konfliktes in Syrien sind mehr als zwei Millionen Menschen aus dem Land geflohen, die meisten von ihnen in den Libanon, nach Jordanien, in die Türkei und nach Ägypten. Mindestens weitere vier Millionen Menschen sind Kriegsvertriebene innerhalb Syriens. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte in einem am Donnerstag vorgelegten Bericht die Flüchtlingspolitik Jordaniens. Das kleine Nachbarland Syriens würde immer wieder Menschen abweisen, die vor dem blutigen Konflikt fliehen. Vor allem Palästinenser und Iraker, die schon in Syrien als Flüchtlinge lebten, Menschen ohne ausreichende Dokumente und allein stehende Männer ohne Familie in Jordanien würden von den jordanischen Grenzbehörden nach Syrien zurückgeschickt, so Amnesty.

Darüber hinaus würden tausende syrische Flüchtlinge in unmittelbarer Grenznähe unter freiem Himmel festsitzen, weil sie die jordanischen Behörden nicht weiter ins Land ließen, heißt es in dem Bericht mit dem Titel "Zunehmende Einschränkungen, harte Bedingungen". Mehr als 200 Bewohner des Flüchtlingslagers Saatari, wo derzeit 120.000 Menschen leben, seien nach Syrien abgeschoben worden, nachdem sie gegen die Zustände in dem Lager protestiert hatten.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich, rief im Ö1-Morgenjournal dazu auf, die Nachbarländer Syriens bei der Bewältigung der Flüchtlingswellen nicht allein zu lassen. Vor allem die Unterstützung Europas sei notwendig: "Wenn wir weiterhin zu wenige Menschen aufnehmen, dann opfern wir Menschenleben allein aus innerösterreichischem, innereuropäischem Pragmatismus", so Patzelt.

Abrüstung in Syrien: Was bisher geschah

14. September 2013: Russland und die USA einigen sich in Genf auf einen Zeitplan zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen. Die UNO-Partnerorganisation OPCW muss die Vernichtung kontrollieren und ausführen. Syrien muss der OPCW ihr C-Waffen-Arsenal innerhalb einer Woche offenlegen. Zugleich soll das Land der OPCW beitreten.

20. September: Syrien übermittelt "erste Informationen" über sein C-Waffen-Arsenal an die Kontrollbehörde in Den Haag.

21. September: Syrien übermittelt laut OPCW die "erwarteten Informationen" zum Chemiewaffenarsenal und hält die gesetzte Wochen-Frist ein. Für eine schnelle Beseitigung der C-Waffen bis Mitte 2014, wie im russisch-amerikanischen Plan vorgesehen, braucht die OPCW Unterstützung in Form einer Resolution des Sicherheitsrates.

26. September: Erstmals seit Beginn des Konflikts einigen sich die fünf Veto-Mächte im Sicherheitsrat in New York auf einen Resolutionsentwurf zu Syrien. Der Entwurf wird der OPCW zugestellt.

27. September: Die OPCW gibt grünes Licht für die Vernichtung der C-Waffen. Das Land soll bis Mitte kommenden Jahres chemiewaffenfrei sein. Nach der OPCW-Entscheidung verabschiedet der UNO-Sicherheitsrat die Syrien-Resolution und fordert die Herausgabe und Vernichtung der C-Waffen.

30. September: Die ersten OPCW-Fachleute reisen nach Syrien und beginnen mit der Mission zur Vernichtung der Chemiewaffen. Im Laufe der kommenden Wochen treffen weitere Experten in dem Land ein.

7. Oktober: Syrien startet unter Aufsicht von OPCW-Mitarbeitern und Vertretern der Vereinten Nationen die Zerstörung seines Giftgas-Arsenals.

11. Oktober: Der Weltsicherheitsrat gibt grünes Licht für einen von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon vorgeschlagenen Plan zur Zerstörung aller syrischen Chemiewaffen bis Mitte 2014.

14. Oktober: Syrien tritt offiziell der internationalen Chemiewaffen- Konvention bei. Das Land ist das 190. Mitglied.

27. Oktober: Syrien legt die geforderte Auflistung der Chemiewaffen und einen Plan für deren Zerstörung fristgerecht vor. Die Angaben der Regierung gelten laut OPCW als Grundlage "für eine systematische, totale und kontrollierte Vernichtung deklarierter chemischer Waffen und Produktionsstätten".

31. Oktober: Die OPCW meldet, dass alle syrischen Chemiewaffen sicher versiegelt sind und die Produktionsstätten ausnahmslos funktionsunfähig gemacht wurden.

(APA/AFP/dpa/Red.)

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