Warum die NSA nach Wien schielt

(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
  • Drucken
  • Kommentieren

Täglich werden neue Details des US-Abhörprogramms bekannt. Die wichtigsten Fakten zum bis heute politisch nicht bearbeiteten Österreich-Bezug und der Zukunft von Aufdecker Edward Snowden.

Wien. Spätestens jetzt hat die NSA-Abhöraffäre auch Österreich erreicht. Für Aufregung sorgten am Wochenende Berichte, wonach auch hierzulande flächendeckend spioniert wurde. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den aktuellen Entwicklungen.

1 Kooperiert auch Österreich mit der NSA, und wenn ja, wie funktioniert das?

Tatsächlich kooperiert auch Österreich mit der National Security Agency der USA. Im Sommer veröffentlichte „Die Presse“, dass als nationale Kontaktstelle das Heeresnachrichtenamt (HNaA) des Bundesheeres dient. Das Amt ist der strategische Auslandsnachrichtendienst der Republik und beschränkt sich dabei keineswegs auf militärische Agenden. Bei seiner Arbeit ist jeder Dienst der Welt auf die Kooperation mit anderen angewiesen. „Das gehört zum Tagesgeschäft“, sagt ein Dienstmitarbeiter der „Presse“. Fast immer erfolgt die Kooperation auf Basis von Verträgen. Darin wird festgehalten, welche Informationen man teilt und welche nicht, welches Wissen man mit Dritten teilen darf und welche Konsequenzen im Fall der unerlaubten Geheimnisweitergabe drohen. Allerdings: Es kooperiert nicht jeder mit jedem. Aufgrund beschränkter Ressourcen konzentriert man sich auf die ergiebigsten Quellen. Dabei fließen Informationen jedoch nur im Tausch für andere Informationen. „Dienste verschenken ihre Erkenntnisse nicht“, sagt der Mitarbeiter. Ein starkes Argument, mit Österreich zu kooperieren, sind die traditionell guten Informationen des HNaA aus Osteuropa. Aber auch bei der Aufklärung auf dem Balkan, insbesondere in den ehemaligen Kriegsgebieten, hat sich das Amt international einen guten Ruf erarbeitet.

2 Warum interessiert sich die NSA überhaupt für ein so kleines Land wie Österreich?

Dienste vieler Länder tauschen sich in Wien auf neutralem Boden aus. Solange dies nicht zum Nachteil Österreichs geschieht, greift auch der Verfassungsschutz nicht ein. Zudem ist Wien wichtiger Standort für internationale Organisationen wie UNO, OSZE und Opec – Organisationen, die die Neugier von Nachrichtendiensten beflügeln. Und: In der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass in der Hauptstadt ein international relevanter Internetknoten betrieben wird, der Vienna Internet Exchange (VIX). Über solche Knoten läuft der Großteil des weltweiten Datenverkehrs. Wer sich hier – legal oder illegal – einklinkt, kann Informationen an zentraler Stelle absaugen. Dass sich die NSA, gemeinsam mit der CIA, besonders für Wien interessiert, geht aus einem geleakten Dokument von Edward Snowden hervor. Beide Dienste betreiben gemeinsam das Projekt „Special Collection Service“, in dem die schwierigsten und geheimsten Überwachungsaufträge der Organisationen gebündelt sind. Auf einer Landkarte scheint – neben vielen anderen Metropolen – auch Wien auf.

3 Warum wollen immer mehr Länder Edward Snowden persönlich befragen?

Brasilien wollte Edward Snowden schon im Oktober einige Fragen stellen. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments beschäftigt sich mit den US-Spähungen im Land und will im Rahmen der Ermittlungen Details von Snowden persönlich erfahren – auch per Videokonferenz. Die Schweiz hätte ebenfalls ein paar Fragen an ihn: Abgeordnete wollen sich über die Überwachung der UN-Mission in Genf informieren. Und auch Deutschland denkt nach den jüngsten Enthüllungen laut über eine Befragung Snowdens nach. Snowden wäre bereit, dafür nach Deutschland zu kommen, aber dadurch würde er seinen Status als Flüchtling in Russland verlieren. Es ist wohl kein Zufall: Erst kürzlich wurde enthüllt, dass die NSA auch das Handy der Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört hatte. Anschließend hat Snowden den deutschen Grün-Politiker Hans-Christian Ströbele empfangen, der seither für einen Aufenthalt Snowdens in Deutschland plädiert. Eine Aussage in Deutschland knüpft Snowden an eine Aufenthaltszusage. Der Ruf, ihm Asyl zu gewähren, wird in Deutschland jedenfalls immer lauter, aber seine Aufnahme würde die Beziehung der Länder freilich schädigen. Die Kanzlerin schweigt.

4 Wie reagieren die USA auf die immer schärfere Kritik aus Europa?

Die USA sind bereit, ein Anti-Spionage-Abkommen mit Deutschland zu unterzeichnen. Laut dem deutschen Magazin „Spiegel“ ist eine Abkehr von der Industriespionage darin vorgesehen. Details sind allerdings noch offen. Sollte Berlin allerdings Snowden tatsächlich aufnehmen, ist eine Bereitschaft der USA zu einer Kooperation freilich fraglich.

5 Wer wurde von den US-Geheimdiensten nun überhaupt ausspioniert?

Neben Merkel wurden auch die mexikanischen Staatschefs Enrique Peña Nieto, Felipe Calderón sowie Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff abgehört. Wie die britische Zeitung „Guardian“ am Sonntag berichtete, sollen die USA bei der UN-Klimakonferenz 2007 auch indonesische Sicherheitsbehörden bespitzelt haben, um „für Notfälle“ deren Handynummern zu haben. Zumindest diese Mission dürfte nicht sonderlich erfolgreich gewesen sein: Ihr „Höhepunkt“ sei die Nummer des Polizeichefs von Bali gewesen. (awe/duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

GuardianChefredakteur soll SnowdenUnterlagen befragt
Medien

Guardian-Chef muss vor dem Parlament aussagen

Alan Rusbridger soll mit der Berichterstattung im Fall Edward Snowden die nationale Sicherheit gefährdet haben.
Außenpolitik

NSA-Lauschposten in Wien? Österreich ermittelt

Das Innenministerium erstattet Anzeige gegen "unbekannt" wegen Spionagetätigkeit zum Nachteil der Republik Österreich.
Italiens Ex-Außenminister Franco Frattini fragt sich, wer hinter den NSA-Enthüllungen steckt
Außenpolitik

Frattini: "Europäischen Geheimdienst wird es nicht geben"

Italiens Ex-Außenminister Franco Frattini hat in der NSA-Affäre volles Vertrauen in die USA. Das Ausspähen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sei aber illegal, meinte er im "Presse"-Interview.
Außenpolitik

Obama ist bei den Deutschen unten durch

Wegen der NSA-Affäre misstrauen 61 Prozent der Deutschen den USA. Präsident Barack Obama, einst der Liebling der Bundesbürger, stürzte in seinen Beliebtheitswerten geradezu dramatisch ab.
Brisante Fracht: David Miranda (l.), Kurier im Dienste der Snowden-Enthüllungen
Außenpolitik

London: Snowdens Enthüllungen helfen Pädophilen

Die britische Regierung behauptet, Berichte über die Abhörprogramme der Geheimdienste würden Terroristen und Pädophilen nützen. Zuvor hatte sie schon Druck auf Medien ausgeübt, von weiteren Enthüllungen abzusehen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.