Drei Dutzend serbische Prügel-Hooligans ließen die Wahlpremiere im Nordkosovo im Fiasko enden. EU und OSZE versuchen, den verpatzten Urnengang schönzureden.
Belgrad/Kosovska Mitrovica. Als die ersten Stühle flogen, hatten die verschreckten Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) genug gesehen. Knapp drei Stunden vor Ende der Kommunalwahl im Kosovo räumten die OSZE-Emissäre nicht nur in den von maskierten Männern attackierten Wahllokalen in Nord-Mitrovica, sondern gleich in allen Wahldistrikten im serbisch besiedelten Norden des Kosovo vorzeitig das Feld. In einem von Nato-Truppen der KFOR geschützten Konvoi von 20 gepanzerten Jeeps brachten sie sich und die Urnen von drei der vier geräumten Wahldistrikte am Sonntagabend in Sicherheit. Bis 17 Uhr sei die Wahl erfolgreich verlaufen, vermeldete nach dem hektischen Rückzugsmanöver zu Wochenbeginn zufrieden OSZE-Missionschef Jean-Claude Schlumberger: An einen Antrag zur Annullierung der Wahl werde nicht gedacht.
Zum ersten Mal hatte Belgrad die Landsleute in der Exprovinz zur Teilnahme an einer Wahl unter der Regie des Kosovo aufgerufen. In den Serben-Enklaven im Süden des Landes wurde dank des Segens aus dem Mutterland eine Rekordwahlbeteiligung von teilweise mehr als 50 Prozent vermeldet.
In der EU gilt jetzt: Augen zu und durch
In Nord-Mitrovica allerdings beschimpften aus Serbien angereiste Extremisten vor den Augen der Polizei, der Vertreter der EU-Justizmission Eulex und der KFOR den ganzen Tag ungestört die wenigen Wahlwilligen als „Verräter“ – und filmten diejenigen, die die Stimmabgabe wagten. Bei Einbruch der Dunkelheit setzte dann eine Gruppe maskierter Gewalttätiger zum Sturm auf die Wahllokale an. Urnen wurden zerstört, Wahlhelfer verprügelt, wartende Wähler attackiert. Außer Tränengasgranaten wurde auch ein scharfer Sprengsatz geworfen, der allerdings nicht detonierte.
Prishtina habe alles getan, damit die Serben die Wahl im Nordkosovo boykottieren würden, klagte am Montag Serbiens Regierungssprecher Milivoje Mihajlović. Belgrad habe hingegen zur Vorbereitung der Wahl alles getan, was in seiner Macht stand. Polizeibekannte Hooligans hätten freilich schon im Mutterland beizeiten „isoliert“ werden können, räumte er kleinlaut ein: Die Schuld für die gescheiterte Wahl liege „auf allen Seiten“.
Für eine Annäherung zwischen Belgrad und Prishtina sollte die Wahl sorgen. Tatsächlich hat die von der EU propagierte Normalisierung einen gehörigen Rückschlag erlitten. Serbiens Sorge, es werde dafür die Zeche in Form eines späteren Auftakts der EU-Beitrittsverhandlungen zahlen, dürfte indes unbegründet sein: Berlin würdigte die Wahl schon als „mutigen Schritt Richtung Normalisierung“. Augen zu und durch scheint in den EU-Machtzentren die Devise.
Während auch Politiker in Belgrad eine Wiederholung der Wahl in Nordkosovo fordern, scheinen deren Architekten in Brüssel daran keinen Gedanken zu verschwenden. Erst am Dienstag wollen sich die EU-Wahlbeobachter äußern. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton gab schon einmal die Richtung vor: Bis auf Mitrovica seien die Wahlen ja „ordentlich“ verlaufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2013)