Venezuela: „Kriegsherr“ Maduro besetzt Elektromärkte

(c) REUTERS (Carlos Garcia Rawlins)
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Vor den Kommunalwahlen im Dezember ruft Präsident Maduro zum „ökonomischen Krieg gegen die Bourgeoisie“ auf. Als ersten Schritt verordnete er billigere Elektrogüter – und sorgte für Chaos und Massenanstürme.

Buenos Aires/Caracas. Am Ende dieses „ökonomischen Kriegszuges“ blieben verheerte Geschäfte zurück. Nach einem mehr als stürmischen Wochenende sind Venezuelas Elektromärkte ausgeräumt, angesichts leerer Lager lösen sich die Massenaufläufe vor den Einkaufszentren langsam auf.

Ausgelöst hatte den Furor derselbe Mann, der bereits am Allerheiligentag die Weihnachtszeit in Venezuela ausgerufen hat: Präsident Nicolás Maduro. In einer TV-Ansprache am Freitagabend gab er bekannt, dass er beschlossen habe, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Um die Volkslaune in der vorgezogenen Weihnachtszeit zu heben und um einen Schlag im „ökonomischen Krieg“ gegen die „parasitäre Bourgeoisie“ zu setzen, habe er angeordnet, dass Militärs alle Geschäfte der Elektrokette Daka besetzen, Waren beschlagnahmen und diese zu „gerechten Preisen“ verkaufen sollten. Bis zum letzten Artikel  – „dass ja auch nichts mehr in den Lagern bleibt!“,  rief Maduro überdeutlich.

Die TV-Ansprache war noch nicht beendet, da begann bereits der Sturm auf die Geschäfte der 2004 gegründeten Gruppe, deren Besitzer arabischen Ursprungs bisher zu den gut genährten Günstlingen des chavistischen Staatsapparates gezählt hatten. In der Stadt Valencia wurden die Uniformierten vom entfesselten Konsumrausch überrollt und mussten die Plünderung des Daka-Marktes mit ansehen. Samstagmorgen  besetzten Militärs und Ministerialbeamte Märkte anderer Ketten und gaben auch deren Waren zu Preisen weiter, die halb so hoch waren wie vor dem Marschbefehl des Staatschefs. Mehrere Geschäftsführer  wurden festgenommen, ihnen werfen die Staatsorgane „Wucher“ vor.

„Nur Spitze des Eisberges“

Maduro erklärte danach, die Geschäftsbesetzungen seien „nur die Spitze des Eisbergs“ all jener Maßnahmen, die er ergreifen wolle, wenn ihm das Parlament nur die schon seit Wochen beantragten Sondervollmachten ausspreche. Doch der Regierungsfraktion fehlt eine Stimme zur notwendigen Drei-Fünftel-Mehrheit. Seit Monaten behauptet Maduro, die Opposition, die er stets „faschistische Rechte“ nennt, orchestriere mithilfe der „parasitären Bourgeoisie“ und dem „Imperium“ im Norden einen „ökonomischen Krieg“ gegen Venezuela und seine Regierung.

Diese Verschwörungstheorie soll jene aberwitzigen Verzerrungen erklären, die Venezuelas Wirtschaft im Jahr eins nach Chávez aufweist: Die Inflationsrate nähert sich der 50-Prozent-Marke, die Währungsreserven sind auf dem niedrigsten Wert seit 2004, und trotz gigantischer Ölreserven hat Venezuela auf den internationalen Kreditmärkten das höchste Länderrisiko aller Staaten.
Dabei sinken die Einnahmen aus dem Erdölverkauf stetig, denn das Land kann nur noch etwa 60 Prozent seiner Produktion frei verkaufen, der Rest fließt entweder zum Schuldendienst nach China oder zu Schleuderpreisen zu den Amigos in die Karibik. Der dramatischste Exzess ist jedoch der Unterschied zwischen offiziellem und parallelem Dollarkurs. Der staatlich festgeschriebene Dollarwert liegt bei 6,30 Bolivares, die inoffiziellen Geldwechsler verlangen 55 Bolivares für einen Dollar. Die 800-Prozent-Bresche zwischen den beiden Kursen beflügelt natürlich die Fantasien von Geschäftemachern – aus dem privaten, aber auch dem staatsnahen Sektor.

Den Besitzern und Managern der Elektromärkte werfen die Regierenden vor, sie hätten ihre Waren zum offiziellen Kurs importiert und hernach zu Preisen abgegeben, die sich am Parallelpreis orientieren. „Wer sind hier die Plünderer? Die einfachen Leute oder jene, die einen Fernseher, der 3000 Bolivares wert ist, für 50000 verkaufen wollen?“ fragte Maduro im Fernsehen: 20 Prozent der verfügbaren Devisen würden veruntreut, gäbe es keinen „ökonomischen Krieg“, läge die Inflationsrate bei 16 Prozent. Das wäre der niedrigste Wert seit der Amtsübernahme durch Hugo Chávez.

Die Opposition spricht indes von „Wahlkampftheater“. Weil Maduro vor den Kommunalwahlen am 8. Dezember kein Geld mehr für staatliche Wahlgeschenke habe, müssten nun eben private Firmen die Gaben ans chavistische Gefolge beisteuern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2013)

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