Schweiz: Wie der Kanton Jura wachsen will

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Im November wird abgestimmt, ob der Kanton Jura vergrößert werden soll. Aber die jurassischen Gemeinden in Bern werden sich wohl dagegen entscheiden.

Bern/Wien. Heikel ist das Wort: Heikel ist in der Schweiz alles, was mit dem Kanton Jura und den Gemeinden des Jura im Kanton Bern zusammenhängt. Heikel wird es auch mindestens bis zum 24.November bleiben. An diesem Tag stimmen die jurassischen Gemeinden im Berner Kanton darüber ab, ob sie sich künftig dem Kanton Jura angliedern wollen. Und der Kanton Jura stimmt darüber ab, ob man denn einer Vergrößerung zustimmen würde. Ist das Stimmvolk dagegen, bleibt alles gleich – gleich heikel.

Der Kanton Jura im Nordwesten des Landes, am gleichnamigen Gebirge und an der französischen Grenze, ist das störrische Problemkind der Eidgenossen. Vor seiner Gründung im Jahr 1979 war das Gebiet mehr als 160 Jahre ein Teil des Kantons Bern. Separatisten, die von einem in sich geschlossenen jurassischen Kanton geträumt haben, haben die sonst so beschauliche Schweiz zeitweise mit krawallartigen Zuständen belegt. Schließlich kam es in den 1970er-Jahren zu mehreren Abstimmungen, mit dem Ergebnis, dass die Bezirke Moutier, Courtelary und La Neuveville bei Bern bleiben wollten, während mit drei anderen Bezirken der neue Kanton Jura gegründet wurde. Daher war für viele der neue Kanton, der jüngste der Schweiz, keine ausgereifte Sache. Separatistische Ambitionen flammten immer wieder auf, mal stärker, mal schwächer. Als Anfang der 1990er-Jahre ein Aktivist bei einer Sprengstoffdetonation ums Leben kam, war in der Schweiz sogar von Terrorismus die Rede.

Feuer an den Grenzen gelöscht

Der Tod des jungen Mannes war aber auch der Anstoß im Bund, den Jura-Konflikt endlich zu lösen. Die Interjurassische Versammlung (IJV) wurde gegründet, sie bringt Verhandler beider Kantone an einen Tisch. Ihre Arbeit hat das Feuer an den Kantonsgrenzen durchaus gelöscht. Man weiß von einem guten Gesprächsklima zu berichten. Und die bevorstehende Abstimmung ist eines ihrer Verhandlungsergebnisse.

Wobei deren Ausgang laut Umfragen für wenig Überraschung sorgen wird: Die meisten Einwohner im Kanton Jura werden für eine Vergrößerung ihres Kantons stimmen, die meisten Einwohner des jurassischen Bern gegen eine Angliederung an den Kanton Jura. In Bern haben sie ohnehin einen Sonderstatus – und ihnen ist bewusst, dass sie es sind, die Bern auch aufwerten, indem sie dem Kanton die Zweisprachigkeit verleihen; die jurassischen Gebiete sind französischsprachig, während im Kanton selbst mehrheitlich Deutsch gesprochen wird. Früher war die sprachliche Komponente ein wichtiges Argument für jurassische Separatisten – der Kanton Jura ist schließlich auch französischsprachig. Heute ist vielmehr von kulturellen Gemeinsamkeiten die Rede, aber auch von religiösen. Im Kanton Jura sowie im jurassischen Bern wohnen mehrheitlich Katholiken, der Rest Berns ist reformiert.

Abstimmung in einzelnen Gemeinden

Eine Vergrößerung des Kantons würde Jura freilich aufwerten – auch finanziell. In Broschüren, in denen für ein Ja geworben wird, ist von jährlich 52Millionen Franken die Rede, die das Kantonsbudget auffetten würden. Schließlich ist die Wirtschaftskrise nicht spurlos am Kanton Jura vorbeigegangen; die hier angesiedelten Uhrenfabriken haben es gespürt, der Bund spürt es mit den Überweisungen von Subventionen an den wirtschaftlich schwachen Kanton.

Wie auch immer die Abstimmung ausgeht, es gibt einen großen Unterschied zu den vorangegangen über diesen Kanton: Ein separatistischer Eifer ist bei den Jungen kaum zu bemerken. Zudem wird auch diese Abstimmung den Jura-Konflikt nicht lösen. Denn im Kanton Bern wurde den jurassischen Gemeinden zugestanden, einzeln über eine Angliederung an Jura abstimmen zu dürfen. Realistisch ist das für die Stadt Moutier, die eine Ja-Mehrheit zustande bringen würde. Ziehen andere Gemeinden mit, würden sich die Kantone erst recht zerfransen. Aber auch wenn die Stimmung zwischen den Kantonen heute lange nicht mehr so giftig ist– heikel bleibt die Geschichte allemal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2013)

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