Harter Sparkurs führte zum Erfolg, aber Wirtschaft wächst nur langsam

Irland. Die Stabilisierung der Staatsfinanzen bedeutet nicht, dass die Wirtschaft des ehemals keltischen Tigers schon über den Berg ist. Die Zugewinne bleiben blutleer.

London/Dublin. Ray Butler betrieb 24Jahre lang ein Schuhgeschäft in Trim, einer Kleinstadt 50 Kilometer nördlich von Dublin. Dann musste er auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise seinen Betrieb schließen. Die Frustration trieb ihn in die Politik, heute sitzt er für die Regierungspartei Fine Gael im Parlament. Irlands Entlassung aus dem Rettungspaket von EU und IWF ist für ihn kein Anlass zum Jubel: „Ich will keine Fanfaren und keine Trompeten. Das einzig Angemessene wäre ein großes Dankeschön an die irische Bevölkerung.“

Tatsächlich haben die Iren harte Leistungen erbracht, um die Auflagen der internationalen Geldgeber zu erfüllen. Der Mitte Oktober vorgestellte Haushalt für 2014 war das achte Sparpaket in Folge. Seit 2008 haben die Regierungen Irlands den Staatshaushalt um 28Milliarden Euro gekürzt, das entspricht 17 Prozent des aktuellen Bruttoinlandsprodukts. Aus dem keltischen Tiger wurde eine lahme Ente. Zwar wächst die Wirtschaft seit dem zweiten Quartal 2013 wieder, doch der Zugewinn bleibt blutleer. Die im kommenden Jahr von der Regierung erwarteten zwei Prozent werden von vielen bezweifelt.

Die Arbeitslosigkeit liegt trotz eines leichten Rückgangs immer noch über 13 Prozent und wäre ohne die Auswanderung zehntausender vorwiegend junger Iren noch bedeutend höher: Während die Regierung sich für die finanzielle Stabilisierung feierte, schrieben Studenten einen offenen Brief an die „Irish Times“, in dem sie gegen die neuerliche Kürzung der Sozialhilfe für Jugendliche unter 26 protestieren: „Niemand kann mit 100 Euro in der Woche überleben.“ Für jede freie Stelle melden sich durchschnittlich 32 Bewerber.

„Beachtlicher Puffer Bargeld“

Dennoch – oder gerade wegen des harten Sparkurses – haben die Märkte und die Geldgeber Irland wieder das Vertrauen zugesprochen. Irische Staatsschuldverschreibungen, für die auf dem Höhepunkt der Krise 15 Prozent Zinsen geboten werden mussten, haben heute mit 3,5 Prozent einen der tiefsten Aufschläge unter allen Eurostaaten. Das Budgetdefizit ist von fast 30 Prozent 2010 auf 7,3 in diesem Jahr gefallen und wird nächstes Jahr mit 4,8 Prozent sogar die IWF-Vorgabe von 5,1 Prozent unterschreiten. Irland hat zwölf Inspektionen von EU und IWF bestanden, und Weltwährungsfonds-Chefin Christine Lagarde bescheinigte dem Land: „Irland ist in einer starken Position und hat einen beachtlichen Puffer an Bargeld.“

Dass Dublin sich angesichts dieser Ausgangslage gegen eine ESM-Kreditlinie entschied, schien einleuchtend, blieb aber nicht unumstritten. Ministerpräsident Enda Kenny betonte: „Das ist die richtige Entscheidung.“ Doch Ex-Europaministerin Lucinda Creighton warnte vor einer „riskanten Strategie“. Die irischen Reserven wären bei neuen externen Belastungen „rasch aufgebraucht“. Zudem äußert die mitregierende Labour Party immer mehr Begehrlichkeiten, die unter den internationalen Auflagen nicht machbar wären. (gar)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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