Diktator für ein Jahr: Venezuelas Präsident erhält Sondervollmachten

(c) REUTERS (Carlos Garcia Rawlins)
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Das Parlament gibt Staatschef Nicolás Maduro Moros freie Hand, vordergründig für den Kampf gegen die Wirtschaftskrise.

Caracas. Nicolás Maduro Moros, Venezuelas stämmiger, 1,90 Meter großer Präsident mit dem mächtigen Schnauzbart, ist seit Mittwoch sozusagen noch größer: Das von der linkspopulistischen Sozialistischen Partei knapp beherrschte Parlament stattete Maduro, der nach dem Krebstod seines Vorgängers, Hugo Chávez, im März zum Präsidenten gewählt wurde und am Samstag 51 Jahre alt wird, mit weitreichenden Sondervollmachten aus. Sie gelten ein Jahr lang, Maduro kann damit per Dekret am Parlament vorbeiregieren.

Das sogenannte Ermächtigungsgesetz kam denkbar knapp zustande: Es wurde exakt mit der nötigen Dreifünftelmehrheit der 165 Abgeordneten, also mit 99 Stimmen, verabschiedet. Auch die gab es nur, nachdem vorige Woche eine ehemalige sozialistische Abgeordnete, die zur bürgerlichen Opposition übergelaufen war, wegen Korruptionsvorwürfen an die Justiz ausgeliefert worden war; ihren Sitz übernahm ein Amigo Maduros.

Klopapier ist knapp

Dessen berühmter Vorgänger Chávez hatte in seiner 14-jährigen Amtszeit viermal solche Vollmachten erhalten. Diesfalls sollen sie Maduro, der zuvor Vizepräsident und Außenminister war, in erster Linie zu Aktionen gegen die Wirtschaftskrise ermächtigen. Die Inflation in dem 30-Millionen-Land ist binnen eines Jahres auf 54 Prozent geklettert, Devisen sind knapp, ebenso viele Konsumgüter wie Reis, Fleisch und Klopapier. Kritiker und Ökonomen meinen, die Krise sei hausgemacht, etwa durch starre Wechselkurse, Preiskontrollen und Verstaatlichungen, die viele Firmen zur Aufgabe bewegten.

Maduro, der einst Studentenvertreter war, ohne zu studieren, und Anhänger des (verstorbenen) indischen Gurus Sathya Sai Baba ist, kündigte an, Unternehmensgewinne zu begrenzen, Importe zu kontrollieren und die Korruption bekämpfen zu wollen. Er beschuldigte die Opposition und ihre „imperialistischen“ Helfer im Ausland, Venezuela mit einem Wirtschaftskrieg beugen zu wollen.

„Beschweren Sie sich, wo Sie wollen“

Vor Kurzem hatte Maduro, der politische Gegner schon einmal „Snobs, Schwuchteln und Faschisten“ nennt (insgesamt ist er aber rhetorisch weit sanfter als Chávez), gezeigt, was für Dekrete er so im Kopf haben könnte: Da hatte er verfügt, dass Elektrohändler ihre Waren mit einem Rabatt von 50 bis 60 Prozent verschleudern mussten; um das durchzusetzen, besetzten Polizisten landesweit die Geschäfte, die von Kunden gestürmt wurden.

Den herrschenden Ton in dem Land, wo unter dem Charismatiker Chávez die Kriminalität explodierte, kann man an einer Äußerung von Parlamentspräsident Diosdado Caballo nach dem Votum über das Ermächtigungsgesetz ermessen. Richtung Opposition sagte er: „Beschweren Sie sich, bei wem Sie wollen. Gehen sie doch vor die UNO!“
Hinter den Sondervollmachten wittert die Opposition auch den Versuch Maduros, mit populistischen Maßnahmen vor den Kommunalwahlen am 8. Dezember auf Stimmenfang zu gehen. Sie sind der erste Stimmungstest in der Amtszeit Maduros.

Schwelender Konflikt mit Guyana

Unterdessen schwelt ein Konflikt mit dem östlichen Nachbarn Guyana: Venezuela fordert dessen Region Esequiba, die zwei Drittel des Gebietes der früheren britischen Kolonie (bis 1966) ausmacht. Jüngst brachte Venezuelas Marine ein guyanisches Ölsuchschiff in umstrittenen Gewässern auf. Guyanas Außenministerin, Carolyn Rodrigues-Birkett, beschuldigte Caracas, ihr Land bedrohen und einschüchtern zu wollen. (wg/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

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