Ägypten: Das spurlose Verschwinden eines Islamkritikers

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Islamistische Fanatiker hatten vor Monaten zum Mord an Hamed Abdel-Samad aufgerufen. Seit Sonntag wird der 41-jährige Deutsch-Ägypter in Kairo vermisst, sein Bruder glaubt, er wurde von Extremisten entführt.

„Ich werde verfolgt!“ Das waren die Worte von Hamed Abdel-Samad bei seinem letzten Anruf. Seitdem ist das Handy des prominenten deutsch-ägyptischen Autors und Islamkritikers abgeschaltet, von ihm fehlt jede Spur. Sein Bruder Mahmoud glaubt, dass er entführt wurde, möglicherweise von Islamisten, die ihn seit längerer Zeit im Visier haben. Das Auswärtige Amt in Berlin wollte am Montag eine Entführung zunächst nicht bestätigen. Die deutsche Bundesregierung verlange von Ägypten „schnellstmöglich“ Aufklärung über das Schicksal von Hamed Abdel-Samad, erklärte der Sprecher des Außenministeriums. Der deutsche Botschafter in Kairo habe dazu Kontakt mit der ägyptischen Regierung aufgenommen.

Man habe derzeit keinen Kontakt zu dem Autor, hieß es seitens des Droemer-Verlags, der Abdel-Samads Bücher in Deutschland verlegt, auf Anfrage der „Presse“.

Hamed Abdel-Samad ist deutscher Staatsbürger. Seit Jahren gehört der Politologe zu den profiliertesten Kritikern des fundamentalistischen Islam und der Muslimbruderschaft, die er auch von innen kennt.

Zuletzt hatte sich der 41-Jährige am Sonntagnachmittag offenbar nahe dem Azhar-Park in Kairo aufgehalten, wo er mit einem Gesprächspartner verabredet war. Wie das ägyptische Nachrichtenportal „youm7“ unter Berufung auf seinen Bruder meldete, soll sich der Publizist bereits im Taxi auf dem Weg vom Hotel zum Azhar-Park von einem schwarzen Auto verfolgt gefühlt haben. Die ausgedehnte und komplett abgezäunte Grünanlage am Rand der islamischen Altstadt ist nur über eine mehrspurige Autostraße zu erreichen. Der Eingang wird kontrolliert. Besucher müssen Eintritt zahlen, die Abfahrt ist nur per Taxi möglich.

Erst vor vier Monaten hat ihn der ägyptische Salafisten-Prediger Assem Abdel-Maged im TV für vogelfrei erklärt, nachdem Abdel-Samad den Islam in einem Vortrag am Nil als verspäteten religiösen Faschismus bezeichnet hatte. „Er hat den Propheten beleidigt. Und wer den Propheten beleidigt, muss getötet werden, selbst wenn er bereut“, lautete das blutrünstige Verdikt. Seither erhielt er Morddrohungen via Internet, reiste umgehend aus Ägypten ab und hielt sich auch in Deutschland zunächst versteckt. Seine Familie in Ägypten wurde ebenfalls wüst beschimpft und eingeschüchtert.

Sein Bruder befürchtet daher, Hamed Abdel-Samad könnte von Islamisten gekidnappt worden sein. Nach seiner Darstellung hat das Innenministerium am Nil auf Bitten der deutschen Botschaft dem Bedrohten diesmal eigens Leibwächter zur Seite gestellt. Hamed habe in dem Park jedoch eine Verabredung gehabt, zu der er keinen Bewacher habe mitnehmen wollen. Kurz vor dem Treffen rief er einen der Personenschützer, einen Offizier, an und berichtete ihm, er werde von einem schwarzen Auto verfolgt.

Scharfe Kritik am politischen Islam

Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 in Ägypten, kam mit 23 nach Deutschland, wo er zunächst in Augsburg Politologie studierte. Anschließend forschte er am Institut für Islamwissenschaften in Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Uni München. In Deutschland bekannt wurde er durch die satirische TV-Serie „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ an der Seite von Henryk M. Broder. Auch Broder wusste am Montag nichts Genaues über den Verbleib seines Kompagnons.

Im Februar 2011 reiste Abdel-Samad während des Arabischen Frühlings nach Kairo und hat sich seitdem auch als Kommentator über das postrevolutionäre Ägypten einen Namen gemacht. In seinem 2009 erschienenen Buch „Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland“ setzte er sich mit den inneren Widersprüchen und der Doppelbödigkeit muslimischer Gesellschaften auseinander. Ein Jahr später folgte „Der Untergang der islamischen Welt“, in dem er den politischen Islam scharf kritisierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2013)

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