Außenminister Guido Westerwelle will in letzten Tagen seiner Amtszeit die Opposition um Boxweltmeister Wladimir Klitschko stärken.
Sein übermächtiger Vorvorgänger macht gerade als Werbe-Galionsfigur für das BMW-Elektroauto von sich reden. In den Internetforen trug dies Joschka Fischer, einem gelernten Taxifahrer, reichlich Häme ein. „Isch bin überzeugt“, sagt der grüne Lobbyist in dem Spot – eine Verballhornung seines Diktums „I am not convinced“, das er im Vorfeld des Irak-Kriegs US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hingeworfen hatte.
An Spott ist Guido Westerwelle, der deutsche Noch-Außenminister mit Ablaufdatum höchstwahrscheinlich noch im Dezember, hingegen seit Beginn seiner Karriere gewohnt, als er als Yuppie die Karriereleiter der FDP hinaufkletterte. Die deutschen Medien degradierten den flotten Parteichef mit dem flinken Mundwerk samt seinem blau-gelben „Guidomobil“ zur Witzfigur.
Umso mehr genoss der Minister jetzt die Ovationen der Demonstranten auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, als er an der Seite des Boxweltmeisters Wladimir Klitschko in die Menge eintauchte. Die Ukraine, eine Anbindung an Europa, eine Freilassung der umstrittenen Polit-Ikone Julia Timoschenko: Dies ist die letzte Mission Guido Westerwelles bei seiner Abschiedstour.
Im Schatten des Übervaters Genscher
2009 führte Westerwelle die Liberalen zu einem gloriosen Wahlsieg, als Außenminister verblasste indes der Glanz rasch. Im Schatten Fischers und des liberalen Übervaters Hans-Dietrich Genscher gelang Westerwelle das Kunststück, an Popularität einzubüßen – was allerdings auch den Bedeutungsverlust des Amts widerspiegelt. Die Europa-Politik riss Kanzlerin Angela Merkel ohnehin als Chefsache an sich. Viel hat Westerwelle nicht zuwege gebracht, die Stimmenthaltung zum Libyen-Krieg vor zwei Jahren blieb als Blamage für die deutsche Außenpolitik in Erinnerung.
In den letzten Tagen seiner Amtszeit versucht der Außenminister noch an Statur zu gewinnen. Er will einen Akzent setzen, womöglich einen Kontrapunkt zu seinem präsumtiven Nachfolger – und ironischerweise auch Vorgänger – Frank-Walter Steinmeier (SPD), einem Protegé des Putin-Freundes Gerhard Schröder. Zumindest in puncto Ukraine hat sich Westerwelle vorgenommen, eine politisches Testament zu hinterlassen.
Schon im Oktober, kurz nachdem die FDP zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus dem Bundestag geflogen war, reiste er nach Kiew, um eine Ausreise der inhaftierten Oppositionellen und Ex-Ministerpräsidentin Timoschenko zu erreichen. Die Behandlung der Politikerin an der Berliner Charité platzte am Ende dann doch noch.
Zur OSZE-Tagung kam Westerwelle nun erneut in die ukrainische Hauptstadt, um seine Solidarität mit den liberalen Kräften zu demonstrieren. „Wir sind als Europäer zu Europäern gekommen“, betonte er nach einem Treffen mit Oppositionsführern, darunter Vitali Klitschko, einem Nationalhelden des zerrissenen Landes. Vitali Klitschko, ein Teil des insbesondere in Deutschland populären boxenden Brüderpaars, fordert Präsident Viktor Janukowitsch für die Wahl 2015 zum Duell auf – und rief den noch in China weilenden Staatschef zu einem klärenden Gespräch auf.
In Moskau signalisierte derweil ein Berater des russischen Präsidenten Putin Milde gegenüber Polit-Häftlingen wie dem früheren Öl-Magnaten Michail Chodorkowskij und zwei Mitgliedern der Punk-Band Pussy Riot. Vor Beginn der Winterspiele in Sotschi im Februar, so die Spekulation, könnten sie in den Genuss einer Amnestie gelangen. Dies imponierte Westerwelle allerdings wenig. Indirekt übte er in Kiew scharfe Kritik an Russland, weil es gegenüber der Ukraine Druck ausgeübt und eine Drohkulisse aufgebaut habe.
In der Heimat übernimmt beim FDP-Parteitag am Wochenende Christian Lindner die Partei. Westerwelle wird beim Neustart keine Rolle mehr spielen, das Angebot für die Spitzenkandidatur bei der Europawahl schlug er aus. Weihnachten wird er mit seinem Lebensgefährten in Mallorca feiern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)