Gauck fährt nicht zu Winterspielen nach Sotschi

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Für das Fernblieben wurden keine Gründe genannt. Ein Boykott der Bundesregierung ist unwahrscheinlich.

Berlin/Moskau. Zwischen Deutschland und Russland droht eine schwere Verstimmung: Der deutsche Bundespräsident, Joachim Gauck, wird im Februar 2014 nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi reisen. Das hat das Bundespräsidialamt der russischen Regierung mitgeteilt. Eine Sprecherin des Präsidenten bestätigte gestern einen Bericht des Magazins „Der Spiegel“.

Gründe nannte die Sprecherin keine. Sie wies lediglich darauf hin, dass es keine feste Regel gebe, wonach Bundespräsidenten an Winterspielen teilnehmen. Auch Horst Köhler sei nicht zu den Spielen 2010 im kanadischen Vancouver gereist. „Der Spiegel“ hat den Schritt als Kritik an den Menschenrechtsverletzungen und der Drangsalierung der Opposition in Russland interpretiert.

Pikant ist die Angelegenheit auch deshalb, weil der frisch gewählte Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein Deutscher ist: Seit September ist der einstige Olympiasieger im Fechten und langjährige Sportfunktionär, Thomas Bach, Chef der Organisation.

Österreich: „Noch nicht entschieden“

In Österreich ist indes „noch nicht entschieden“, ob Bundespräsident Heinz Fischer nach Sotschi fährt, erfuhr „Die Presse“ gestern aus der Präsidentschaftskanzlei. Derzeit werde intern noch diskutiert, welcher Politiker Österreich offiziell vertreten werde.

Auch in Deutschland ist mit einem kompletten Boykott aus den Reihen der Bundesregierung nicht zu rechnen. Kanzlerin Angela Merkel hat sich zuletzt gegen einen Boykott ausgesprochen: Während der Veranstaltung sei die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Situation in Russland gerichtet, hieß es im August. Dies könne eher Veränderungen bewirken als ein Boykott. Es gebe derzeit noch keine Planungen zu einer möglichen Reise der Kanzlerin, sagte eine Regierungssprecherin.

Gauck hat in der Vergangenheit wiederholt mehr Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Russland eingemahnt. Das Land steht international wegen Menschenrechtsverletzungen sowie eines harschen Anti-Homosexuellen-Gesetzes in der Kritik.

Der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning (FDP) begrüßte die Entscheidung als „wunderbare Geste der Unterstützung für alle russischen Bürger, die sich für Meinungsfreiheit, Demokratie und Bürgerrechte einsetzen“. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zeigte sich nicht überrascht. „Ein Besuch des Bundespräsidenten in Sotschi selbst war unseres Wissens bislang nicht geplant“, erklärte der DOSB in einer Stellungnahme. (som/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2013)

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