Internet-Multis fordern Geheimdienstreform von Obama

Barack Obama scherzt mit Sheryl Sandberg
Barack Obama scherzt mit Sheryl SandbergREUTERS
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Bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus haben die Chefs der großen US-Onlinefirmen zügige Reformen eingemahnt. Es ging auch um die Panne bei der Homepage für die Gesundheitsreform.

Eingangs dominierte Small-Talk die Unterhaltung des mächtigsten Mannes der Welt mit den Mächtigen der High-Tech-Branche aus dem kalifornischen Silicon Valley. Barack Obama outete sich als Fan der Polit-Serie "House of Cards" und fragte, ob ihm der Onlinedienst Netflix die zweite Staffel schon vor dem offiziellen Start zur Verfügung stellen könne. Die Hauptfigur Frank Underwood, brillant verkörpert von Kevin Spacey, führe exemplarisch vor, wie sich Konflikte rasch regeln liessen.

Der US-Präsident hat allen Grund, die Internet-Unternehmen zu Hilfe zu rufen. Im Zuge der Einführung der Gesundheitsreform bereitet ihm die hochblamable Panne um die dysfunktionale Homepage für die Anmeldung für eine Krankenkasse der Wahl seit Wochen Kopfschmerzen. Als Krisenmanager für die defekte Homepage Healthcare.gov hat Obama laut "New York Times" einen Spitzenmanager von Microsoft im Auge: Kurt DelBene. Er soll seinen neuen Job bereits heute antreten.

Finanzspritze für Obama im Wahlkampf

Die Internet-Konzerne brachten im Weißen Haus indes ein dringenderes Anliegen vor. Sie haben den Präsidenten zu einer Reform der Geheimdienste aufgefordert. Fast zwei Stunden lang diskutierte Obama am Dienstag unter anderem mit Apple-Chef Tim Cook, dem Google-Verwaltungsratsvorsitzenden Eric Schmidt und Yahoo-Chefin Marissa Mayer. Auch die Geschäftsführerin von Facebook, Sheryl Sandberg, und Twitter-Chef Dick Costolo nahmen an dem Gespräch teil. Sandberg hatte einst ihre Karriere im Finanzministerium als Mitarbeiterin von Larry Summers in Washington begonnen.

Bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus haben die Chefs der großen US-Onlinefirmen zügige Reformen eingemahnt. Viele von ihnen hatten Obama im Wahlkampf tatkräftig finanziell unterstützt, oft mit sechsstelligen Millionen-Dollarsummen. In der Vergangenheit hatte sich Steve Jobs, der bereits verstorbene Apple-Gründer, bei einem ähnlichen Treffen im Silicon-Valley enttäuscht vom Präsidenten gezeigt.

Bekenntnis zu offenem Internet

"Wir haben die Möglichkeit geschätzt, unsere Prinzipien beim Thema staatliche Überwachung direkt mit dem Präsidenten zu teilen", erklärten die eingeladenen Manager anschließend. "Wir haben ihn dazu gedrängt, aggressiv Reformen voranzubringen." Das Weiße Haus erklärte, Obama habe sich zu einem offenen und freien Internet bekannt. Die Regierung werde die Sorgen der Technologiekonzerne bei der derzeit laufenden Überprüfung der Geheimdienstarbeit berücksichtigen.

In einem offenen Brief hatten führende US-Internetunternehmen eine Beschränkung und stärkere Kontrollen der geheimdienstlichen Überwachung von Bürgern verlangt. Die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hätten "den Nachweis geliefert, wie dringend die weltweiten Überwachungspraktiken überarbeitet werden müssen", heißt es in dem Schreiben von Branchengrößen wie Google, Microsoft und Facebook. Auch Apple, AOL, Twitter, Yahoo und LinkedIn gehören zu den Unterzeichnern.

Empörung über NSA-Affäre

Seit Juni haben die Snowden-Dokumente eine Reihe von Spähaktivitäten der NSA und verbündeter Geheimdienste ans Licht gebracht. So überwachte die NSA offenbar nicht nur massenhaft E-Mails und Telefonate von Menschen rund um die Welt, sondern hörte auch Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, darunter die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In Deutschland und anderen Staaten sorgte die Verletzung der Privatsphäre von Millionen von Bürgern für Empörung. Die Technologiefirmen fürchten, dass die Spähaktivitäten der Geheimdienste das Vertrauen der Nutzer in ihre Angebote erschüttern.

Obama gerät wegen der Überwachungsprogramme auch innenpolitisch stärker unter Druck: Am Montag hatte ein Bundesgericht erstmals offen die Verfassungsmäßigkeit einer NSA-Praxis in Zweifel gezogen. Das Gericht in Washington wertete das systematische Ausspionieren von Telefondaten durch den Geheimdienst als gravierende Verletzung der Privatsphäre von US-Bürgern. Die Entscheidung ist allerdings vorläufig, um der Regierung die Möglichkeit zu einem Einspruch zu geben. Für Jänner hat Obama eine Rede angekündigt, in der er die Ergebnisse seiner Überprüfung der geheimdienstlichen Tätigkeiten präsentieren will.

(APA/AFP/vier)

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