Eine Standpauke vor dem Zapfenstreich

(c) EPA (MAURIZIO GAMBARINI)
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Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière attackierte die Alliierten Frankreich und Großbritannien. Ihm blutet noch immer das Herz wegen seiner Ablöse.

Berlin/Wien. Vielleicht stand Thomas de Maizière ja das Beispiel des ehemaligen US-Amtskollegen Robert Gates vor Augen, der sich in seinen Memoiren „Duty“ jüngst kein Blatt vor den Mund genommen hatte. So viel ist indes sicher: Der Stachel der Ablöse aus dem Verteidigungsministerium sitzt tief, und der bald 60-Jährige hat daraus auch kein Hehl gemacht – weder bei der Angelobung, als ihm seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen überschwänglich um den Hals fiel, noch bei der offiziellen Verabschiedung am Mittwochabend im Berliner Bendlerblock an deren Seite.

Der nunmehrige Innenminister, dem der Ruf eines effizienten und besonnenen Technokraten anhängt, machte seinem aufgestauten Unmut Luft – und hielt vor dem versammelten Führungsstab seines früheren Ministeriums eine Standpauke, die insbesondere die Nato-Alliierten traf. Er verwahrte sich dezidiert gegen hämische Kommentare über die deutsche Bundeswehr aus Paris oder London: „Deutschland braucht von niemandem Belehrungen über Art und Ausmaß unserer internationalen Einsätze.“ Deutschland sei im Ausland stärker engagiert als Frankreich, obwohl die einstige Grande Nation „legitime nationale Interessen“, etwa in Afrika, verfolge, sagte der Spross einer französischstämmigen Hugenottenfamilie und des Ex-Generalinspekteurs Ulrich de Maizière.

Zum Abschied: „Live Is Life“

Auch Großbritannien bekam implizit sein Fett ab. Im Gegensatz zu anderen Nationen stehe Deutschland trotz innenpolitischer Anfeindungen zu seinen Verpflichtungen. „Eine Abstimmungsniederlage zur Zustimmung zu einem Einsatz hat eine deutsche Bundesregierung noch nicht erlebt“, erklärte er in einer süffisanten Anspielung an die Schlappe der britischen Regierung im Parlament zu einer Syrien-Intervention im Spätsommer. Hinter den Kulissen hatten die Nato-Partner die Neutralität Berlins im Libyen-Krieg vor drei Jahren sowie bei der Mali-Mission im Vorjahr harsch kritisiert. Darüber hinaus sprach de Maizière über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, den die Alliierten routinemäßig kleinreden.

An die Adresse Ursula von der Leyens, seiner internen Rivalin um Angela Merkels Erbe, richtete er die Empfehlung: Es verlange „Herz und Härte“, die Bundeswehr zu führen – als ob es ausgerechnet dem ambitionierten Multitalent der Union an beidem mangeln würde. Als amtierender Verteidigungsminister, konzedierte de Maizière, hätte er bei der Rede sicher diplomatischer agiert. Nur zu gern hätte der Karrierepolitiker in protestantischer Pflichterfüllung die Scharte bei der Affäre um die Beschaffung der Euro-Hawk-Drohnen ausgewetzt, deretwegen er im Sommer beinahe seinen Rücktritt eingereicht hätte.

Beim rituellen Zapfenstreich erklang zu seinen Ehren hernach das Kirchenlied „Großer Gott, wir loben dich“ – und als Hommage an seine Frau wünschte er sich den 1980er-Jahre-Gassenhauer „Live Is Life“ der steirischen Popgruppe „Opus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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