Sanktionen: „Iran hungert nach Investitionen“

Girl waves an Iranian flag during a victory ceremony for President Mahmoud Ahmadinejad in central Tehran
Girl waves an Iranian flag during a victory ceremony for President Mahmoud Ahmadinejad in central Tehran(c) REUTERS (CAREN FIROUZ)
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Die Wirtschaft liegt am Boden, doch im Iran macht sich Aufbruchsstimmung breit. Die Freitag kolportierte Einigung über offene Fragen im Atomstreit wird den Optimismus beflügeln.

Die Existenz des Menschen hängt ab von seinem Fleiß“ – in goldenen arabischen Lettern auf kobaltblauen Kacheln hängt dieses Koran-Motto über dem Eingang. Drinnen auf den breiten Fluren herrscht peinliche Sauberkeit. Von fern hört man leise das Zischen und Rütteln der Maschinen in den hohen Hallen.

Masoud Ghasaei ist hier der Chef, einer, den man in Deutschland einen mittelständischen Unternehmer nennen würde. Kein autoritärer Patriarch, er ist stolz auf seine Mitarbeiter und sonst ein Mann der leisen Töne. Seit fast dreißig Jahren betreibt der 57-Jährige zusammen mit seinem zehn Jahre älteren Bruder die Porzellanfabrik Zarin, die einst Großvater und Vater aufbauten, und die heute der größte Geschirrhersteller des Landes ist. 1000 Menschen, zwei Drittel von ihnen Frauen, arbeiten auf dem weitläufigen Fabrikgelände, das etwa eine Autostunde von Isfahan entfernt im Städtchen Mobarakeh liegt. Das meiste der 8000 Tonnen Jahresproduktion bleibt im Land, viele heimische Spitzenhotels schwören auf Zarin-Porzellan.

Es geht nur mit harten Devisen

Seine Sorgen teilt der Fabrikant mit der randlosen Brille und dem fein gestutzten Schnauzbart mit vielen iranischen Unternehmern. Seit einem Jahrzehnt konnte er nicht mehr richtig investieren. „Rohstoffe und Ersatzteile sind schwierig zu bekommen“, sagt er, der mit hochbetagten und hingebungsvoll gewarteten deutschen Maschinen produziert. Für den Import neuer Anlagen braucht man Finanzmittelsmänner, die mitverdienen wollen. Und der Kauf des Kaolin-Rohstoffs im Ausland, aus dem die Teller, Tassen oder Salzstreuer gepresst werden, geht nur mit Devisen, die wegen der westlichen Bankensanktionen auf kostspieligen Umwegen beschafft werden müssen.

Das könnte sich nun bald ändern: Wie Teheran am Freitag meldete, wurde bei einer weiteren Gesprächsrunde zwischen der EU und dem Iran eine Einigung über die noch offenen Fragen zu einem Interimsabkommen im Atomstreit erzielt. Umgesetzt könne es aber erst werden, wenn alles in den einzelnen Ländern (den fünf UN-Vetomächten, Deutschland und Iran) abgesegnet sei, hieß es sinngemäß.

Seit der Wahl von Präsident Hassan Rohani und dem Zwischenerfolg bei den Atomgesprächen in Genf jedoch hofft Irans Wirtschaft auf eine Wende. An der Börse in Teheran boomen bereits die Öl- und Bankaktien, auch wenn Rohani in seinem TV-Interview nach 100Tagen im Amt seinen Landsleuten nur katastrophale Wahrheiten verkünden konnte: Der Zustand des Landes sei erschreckend. Die Islamische Republik faktisch bankrott, die Staatskassa geplündert. Die Wirtschaft leide unter einer tiefen Rezession, während sich die Inflation mit 40 Prozent in schwindelerregenden Höhen befinde.

Die gesamte Ölindustrie, nach wie vor Haupteinnahmequelle des Landes, ist seit 1979 nicht mehr grundlegend modernisiert worden. Die Uralt-Raffinerien produzieren so minderwertigen Kraftstoff, dass Teheran inzwischen permanent unter einer gelblichen Abgaswolke ächzt. Im Prinzip muss alles erneuert werden, meint ein Wirtschaftsexperte in Teheran und nennt den Iran „den dicksten Braten auf dem Teller der Weltwirtschaft“. Die Ölbranche allein braucht nach seinen Worten in den nächsten Jahren Investitionen von 50 bis 100 Mrd. Dollar. Die Hälfte der 20 Millionen Autos im Land ist mehr als 25 Jahre alt.

Deutsche Firmen stehen bereit

Entsprechend hoch sind die Erwartungen bei ausländischen Emissären, die sich in Teheran die Klinke in die Hand geben. Hauptgewinner eines iranischen Investitionsbooms könnten neben internationalen Ölmultis wie Total, Shell und ExxonMobil vor allem die französischen Autoriesen Peugeot-Citroën und Renault sein. Gleichzeitig verhandeln Irans Manager aber auch mit Mercedes-Benz und Autozulieferern wie Continental und Bosch.

„Iran hungert nach Investitionen“, sagt Porzellanfabrikant Masoud Ghasaei, während er zusieht, wie seine Arbeiterinnen in beigen Kitteln Henkel an Tassenrohlinge kleben und Teller verzieren. „Mir tut es in der Seele weh, wenn ich sehe, was meine Heimat in den letzten Jahren verloren hat. Ich mag gar nicht darüber nachdenken“, sagt er, der vor allem auf bessere Beziehungen zu Deutschland setzt. Hinter den bestehenden Hallen hat er bereits ein Areal für einen Anbau vorbereiten lassen, um seine Jahresproduktion um 3000 Tonnen zu erhöhen. Der Iran habe ein Imageproblem, sagt er. Das aber werde sich jetzt hoffentlich mit Rohani ändern. „Und wenn die politischen Probleme einmal gelöst sind, lassen sich auch die wirtschaftlichen lösen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2014)

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