Thailand: Showdown im Kampf um Bangkok

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Das monatelange Ringen zwischen Regierung und Opposition eskaliert: Monarchisten legen die Hauptstadt lahm und wollen nichts von einem Dialog mit der Premierministerin wissen. Die Armee schließt Intervention nicht mehr aus.

Bangkok. Ohrenbetäubender Lärm von Trillerpfeifen hängt über der Pathumwan-Hauptverkehrskreuzung im Zentrum von Bangkok. Wo sich an normalen Tagen Massen von Autos, Tuktuks und Motorrädern  vorbeidrängen, stehen jetzt tausende Regierungsgegner auf der Straße. Die Organisatoren der Proteste haben mitten auf der Kreuzung eine Bühne aufgebaut. Die meisten Demonstranten stammen aus Bangkoks Mittelschicht und Elite oder aus dem Süden des Landes. Dort hat die monarchistische Democrat Party viele Unterstützer.

„Ungebildete Wähler“

Seit gestern spielt sich in mehreren Teilen Bangkoks das ab, was Suthep Thaugsuban, der Anführer der Proteste, als einen „Kampf, den nur eine Seite gewinnen kann“, bezeichnet. Die Oppositionellen haben sieben wichtige Kreuzungen blockiert. Damit wollen sie ihre Kernziele erzwingen: Die Regierung von Yingluck Shinawatra –  die derzeit formell Übergangspremierministerin ist – soll zurücktreten. Die für Anfang Februar angesetzten Neuwahlen sollen abgesagt werden. Ein „Volksrat“, bestehend aus nach Berufsgruppen ernannten Mitgliedern, soll die Regierungsgeschäfte übernehmen und das Land von der Korruption befreien, an der „nur Politiker“ schuld seien.

Viele der Anführer der Proteste sind Ex-Führungsmitglieder der Democrat Party. Der Grund, warum sie Wahlen ablehnen: Demokratie funktioniere in Thailand nicht, da der Großteil der Wähler zu „ungebildet“ sei, um vernünftige Entscheidungen zu treffen. Die Partei des 2006 von der Armee aus dem Amt geputschten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra hätte die Armen des Landes durch Stimmenkauf und populistische Geschenke korrumpiert. Die Democrat Party hat zuletzt vor mehr als zwei Jahrzehnten eine Wahl gewonnen.

Als „gefährlichen Unsinn“ bezeichneten dies in einem Leitartikel unlängst die beiden führenden Akademiker Pasuk Phongpaichit und Chris Baker. Dies sei der Kern einer Kampagne, um die Wahldemokratie zu untergraben. Vieles an den gegenwärtigen Protesten wirkt wie eine ironische Wendung der Geschichte: 2010 kam der heutige Protestführer Suthep mit Unterstützung der Armee an die Macht. Als damals zigtausende Unterstützer von Ex-Premier Thaksin Shinawatra ebenfalls eine Barrikadenstadt im Zentrum von Bangkok errichteten und für Neuwahlen demonstrierten, gab Suthep der Armee den Befehl, das Camp gewaltsam zu räumen. Mehr als 90 Menschen starben, die meisten von ihnen Demonstranten. Ein Gericht hat daher kürzlich gegen Suthep Anklage wegen Mordes erhoben. Zu seinem Gerichtstermin Mitte Dezember erschien er jedoch nicht. Er ließ ausrichten, er sei derzeit „beschäftigt.“

Das Gewaltrisiko ist hoch. Schon jetzt hat der Konflikt mindestens acht Menschenleben gekostet. Von der Armee, die in den vergangenen 80 Jahren 18-mal geputscht hat, kommen unterschiedliche Signale. Armeechef Prayuth Chan-ocha etwa sagte in einem Interview, eine Intervention sei nicht ausgeschlossen.  Die derzeit größte „Gefahr“ für die Regierung ist aber die Justiz, die Teil der traditionellen Elite ist. Das Verfassungsgericht hat in den vergangenen Wochen zwei Versuche der Regierung, Artikel der 2007 von der Militärjunta erlassenen Verfassung zu ändern, zurückgewiesen. Begründet wurde das damit,  dass die Regierung versucht habe, die konstitutionelle Monarchie abzuschaffen. Rechtsexperten reagierten verblüfft. Das Urteil könnte jedoch als Vorwand für eine Auflösung der Regierungspartei dienen. Bereits 2008  wurde eine Pro-Thaksin-Partei aufgelöst. Regierungsgegner hatten zuvor beide Flughäfen Bangkoks besetzt. Einer der damaligen Richter hat kürzlich eingeräumt, die Entscheidung sei unter dem Eindruck der Proteste erfolgt.

Besetzung der Börse angedroht

Selbst wenn es Anfang Februar zu Neuwahlen kommen sollte, dürften diese den Konflikt kaum entschärfen. Sutheps Anhänger haben in den vergangenen Wochen im Süden des Landes die Registrierung zahlreicher Kandidaten für die Wahlen verhindert. Die staatliche Wahlkommission, die für die Durchführung der Wahlen sorgen sollte, hat sich geweigert, die Anmeldefrist zu verlängern. Sollten die Wahlen wie geplant abgehalten werden, dann würde die Zahl der vergebenen Parlamentssitze vermutlich nicht ausreichen, um das Parlament zu eröffnen.

Die Führung der Regierungsgegner zeigt sich weiterhin unnachgiebig. Suthep wies ein weiteres Gesprächsangebot der Regierung zurück. Radikalere Regierungsgegnern drohten, Börse und die Flugsicherung zu besetzen, falls die Regierung nicht bis Mittwoch zurückträte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2014)

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