Von Gewalt überschattet: Ägypter stimmen über Verfassung ab

Der erste Abstimmungstag war von Gewalt überschattet.
Der erste Abstimmungstag war von Gewalt überschattet.(c) EPA (Amel Pain)
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In Ägypten geht am Mittwoch das zweitätige Referendum über die neue Verfassung zu Ende. Am ersten Tag starben elf Menschen, 28 wurden verletzt.

Die neue ägyptische Verfassung enthält mehr Rechte für Bürger, privilegiert aber das mächtige Militär. Das Votum soll auch den Umsturz im vergangenen Juli rechtfertigen, mit dem das Militär den gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi nach Massenprotesten aus dem Amt entfernte. Eine starke Beteiligung am Urnengang könnte den Architekten des Coups, Militärchef Abdel Fattah al-Sisi, in seiner Absicht bestärken, bei Wahlen in diesem Jahr für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.

Die Abstimmung läuft unter enormen Sicherheitsvorkehrungen ab. 250.000 Soldaten und Polizisten seien im Einsatz, um die rund 30.000 Wahllokale zu schützen, berichteten ägyptische Medien. Dennoch war der erste Abstimmungstag von Gewalt überschattet.

UNO-Chef fordert Ende der Gewalt

Schon kurz vor Öffnung der Wahllokale explodierte vor einem Gerichtsgebäude in Kairo ein Sprengsatz. Bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften wurden insgesamt elf Menschen getötet und 28 weitere verletzt, teilte das Gesundheitsministerium am Abend in Kairo mit.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte nach den blutigen Zusammenstößen ein Ende der Gewalt. Er verfolge den Prozess der Abstimmung über eine neue Verfassung sehr genau, sagte Ban am Dienstag laut einer von den Vereinten Nationen verbreiteten Mitteilung. Das US-Außenministerium kritisierte, dass die Gewalt nicht förderlich für den politischen Übergangsprozess in dem Land sei. Unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung sei es wichtig, ein "positives Umfeld für die Zivilgesellschaft zu schaffen".

Muslimbrüder für Boykott des Urnengangs

Die Abstimmungslokale sollten am Mittwoch um 8 Uhr MEZ wieder öffnen und bis 20 Uhr offen bleiben. Die Ergebnisse sollten danach innerhalb von 72 Stunden veröffentlicht werden, teilte die Wahlkommission mit. Militärchef Al-Sisi, mehrere linksgerichtete und liberale Parteien und fast alle Medien riefen die Wähler dazu auf, für den Verfassungsentwurf zu stimmen. Als Oberkommandierender der Streitkräfte und Verteidigungsminister gilt Al-Sisi als der eigentlich starke Mann der ägyptischen Politik.

Die Muslimbruderschaft, aus deren Reihen der gestürzte und seitdem inhaftierte Präsident Mursi kommt, appellierte an ihre Anhänger, den Urnengang zu boykottieren. Werbung für ein "Nein" zur Verfassung oder einen Boykott war praktisch nicht möglich. Mehrere Aktivisten einer kleineren, gemäßigt-islamischen Partei wurden deswegen verhaftet.

"Ja zur Verfassung, Nein zum Terrorismus"

In den Straßen von Kairo und selbst an den Eingängen zu vielen Wahllokalen hingen zahllose Plakate mit dem Slogan "Ja zur Verfassung, Nein zum Terrorismus". Die Führung des Landes beschuldigt die Muslimbruderschaft, hinter den Anschlägen zu stecken, die seit deren Entmachtung zugenommen haben. Seit dem Rücktritt des Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak Anfang 2011 infolge von Massenprotesten hat sich in Ägypten keine stabile Ordnung etabliert. Einen Monat nach dem Abgang Mubaraks hatte der damals herrschende Militärrat die Wähler über eine Verfassungserklärung für den Übergang zu demokratischen Verhältnissen abstimmen lassen.

Im Dezember 2012 billigte die Mehrheit der Wähler in einem Referendum mit niedriger Beteiligung eine Verfassung, die von den damals regierenden Islamisten im Alleingang ausgearbeitet worden war und einige Vorrechte für Religionsgelehrte enthielt. Dieses Grundgesetz wurde nach dem Sturz Mursis im vergangenen Juli vom Militär aufgehoben.

(APA/dpa)

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