Ein Jahr Mali-Intervention: Als Hollande noch Sieger war

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Im Jänner 2013 führte Frankreich eine Allianz, die das arme Wüstenland Mali davor rettete, von Steinzeit-Islamisten überrollt zu werden. Seither herrscht weitgehend Frieden - doch ein neuer Konflikt tut sich auf.

Das Feld der Liebe ist für Frankreichs Präsidenten, François Hollande, derzeit ob der Enttarnung seiner Affäre mit einer Schauspielerin zum veritablen Schlachtfeld geworden. Aus genau einem solchen ging der heute schwer angeschlagene Sozialist allerdings vor einem Jahr als brillanter Sieger hervor: Im Jänner 2013 befehligte er jene französisch geführte Militärintervention im armen Saharastaat Mali, die eine Machtübernahme durch islamistische Gotteskrieger dort gerade noch verhinderte.

Die nach einer Wildkatze „Opération Serval“ getaufte Aktion wurde zum Sturmlauf der Franzosen, die nur wenige tausend Soldaten einsetzten und damit die effektivste und wohl nachhaltig positivste Militäraktion seit Jahrzehnten durchführten. Die Vorgeschichte wurzelt im libyschen Bürgerkrieg 2011 und in Unabhängigkeitsbestrebungen der Tuareg in Nordmali. Letztere haben sich in Libyen Waffen beschafft und Anfang 2012 mit der „Bewegung für die Befreiung von Azawad“ (MNLA) eine Revolte gestartet; Azawad heißt der Staat, den sie für sich reklamieren.

Als im März Malis Armee Präsident Amadou Touré absetzt, zerfallen die staatlichen Strukturen im Norden, die Tuareg erringen die Macht. Sie paktieren mit Islamisten wie den „Ansar Dine“ („Verteidiger des Glaubens“); diese aber „kapern“ bald die Tuareg-Revolte, verjagen die MNLA, rufen einen steinzeitislamischen Gottesstaat aus, dringen weiter vor. Im Dezember beschließt der UN-Sicherheitsrat eine afrikanische Schutztruppe für Mali, doch als die Islamisten im Jänner 2013 jäh auf die Hauptstadt Bamako vorrücken und die Armee vor dem Zerfall steht, greift Paris ein: Malis Interimsregierung hat Hilfe erbeten, der Sicherheitsrat segnet die Aktion einstimmig als völkerrechtsgemäß ab.

Am 10. Jänner sichern Spezialtruppen Bamakos Flughafen, tags darauf beschießen Helikopter einen Islamistenkonvoi. Rund 4000 Mann (etwa Marineinfanterie, Fallschirmjäger, Artillerie, Kampfhelikopter) strömen aus Basen in der Elfenbeinküste, im Tschad, Senegal und in Frankreich herbei, unterstützt von 14 Kampfjets. Afrikanische Truppen kommen z.B. aus Nigeria und dem Tschad; viele Länder stellen Transportflieger, etwa Deutschland, Spanien, Russland. Die Islamisten (6000–12.000 Kämpfer) werden bis Anfang Februar zerrieben, 600 bis 1000 fallen. Die Interventionskräfte und Malis Heer vermelden (inklusive Scharmützel in den Folgemonaten) ca. 200 Tote, davon sieben Franzosen.

Obwohl die Weltgemeinschaft und Malis Bürger das Eingreifen guthießen (laut Umfrage in Bamako zu 96 Prozent), gab es Kommentare im Internet, die von „Kolonialismus“ und „Angriff auf den Islam“ faselten. In London hielten Islamisten Tafeln mit Slogans wie „Jihad for Mali“ hoch, Ägyptens Präsident, Mohammed Mursi, kritisierte die Intervention; im Juli wurde er vom Militär abgesetzt.

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Tuareg wieder auf dem Kriegspfad

Heute herrscht weitgehend Ruhe in dem 15-Millionen-Einwohner-Land. Frankreich hat dort noch 2500 Mann, dazu kommt die UN-Truppe Minusma mit aktuell gut 5400 Soldaten und 950 Polizisten. Im Sommer wurde mit Ibrahim Boubacar Keita (68) ein Präsident gewählt, November/Dezember ein neues Parlament. Keitas Partei hat dort keine absolute Mehrheit und sucht Alliierte für eine Koalition. Die Islamisten drohten nach ihrer Niederlage mit Rache, auch in Frankreich; es geschah bis auf einzelne Attentate in Mali nichts.

Dagegen wird die Lage in Nordmali seit November brenzlig, weil die Tuareg den Waffenstillstand gekündigt haben. Brennpunkt ist die Stadt Kidal, die von Malis Behörden und Tuareg als Kondominium regiert wird: Hier starben zwei UN-Soldaten bei einem Attentat, das den Tuareg zugerechnet wird. Die Lage steht an der Kippe, was besonders heikel ist, da die Zentralafrikanische Republik zum neuen Krisenherd wurde und militärische Resourcen Frankreichs und der UN bindet.

Übrigens: Nach der Mali-Intervention schrieb „Die Presse“, Präsident Hollande sei zwar der Triumphator, doch militärischer Ruhm oft kurzlebig. Was zu beweisen war...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2014)

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