Iran: Tausche Urananreicherung gegen 4,2 Mrd. Dollar

(c) REUTERS (RAHEB HOMAVANDI)
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Die Islamische Republik erfüllt die Grundbedingung des Genfer Abkommens und stoppt Zentrifugen in den Atomanlagen. Der Westen revanchiert sich mit einer Lockerung des Sanktionsregimes.

Wien. Vom Paria zum Verhandlungspartner: Der Iran ist auf dem besten Wege, sein Stigma als fundamentalistischer Schurkenstaat loszuwerden. Und dieser Weg in die Respektabilität führt – wie so oft – durch die Schweiz. Während Staatsoberhaupt Hassan Rohani beim morgen beginnenden Weltwirtschaftsforum in Davos erwartet wird, soll Außenminister Mohammed Sarif die Islamische Republik bei der zeitgleich beginnenden Syrien-Konferenz in Montreux vertreten – sofern die von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ausgesprochene Einladung nicht noch rückgängig gemacht wird.

Und auch der erste Schritt aus dem internationalen Abseits wurde in der Schweiz gemacht: Im vergangenen November unterzeichneten die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschland (die sogenannte 5+1-Gruppe) mit dem Iran in Genf eine Vereinbarung über die Zukunft des iranischen Atomprogramms. Seit dem gestrigen Montag erfüllt der Gottesstaat offiziell die Grundbedingung des Genfer Abkommens: In den Nuklearlabors Natanz und Fordo wurde die Anreicherung von Uran auf die Schwelle von fünf Prozent gedrosselt, teilte die in Wien ansässige Internationale Atomenergiebehörde IAEA gestern mit. Außerdem werde bereits auf 20 Prozent angereichertes Uran wieder verdünnt. Experten der IAEA hatten am Wochenende die iranischen Atomanlagen inspiziert. Gestoppt wurden demnach auch die Arbeiten an einem Schwerwasserreaktor für die Erzeugung von Plutonium in der Anlage in Arak.

Die 20-Prozent-Marke hat nicht nur eine symbolische Bedeutung: Sobald Uran auf einen 20-prozentigen Anteil des spaltbaren U-235-Isotops angereichert ist, lässt sich der Prozess relativ rasch auf 90 Prozent fortsetzen – und dann kann das Material in Nuklearsprengköpfen eingesetzt werden. Seit Jahren geht in der internationalen Staatengemeinschaft die Angst um, der Iran arbeite unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms am Bau einer Atombombe. Zur Erzeugung von Brennstäben für zivile Kernreaktoren genügt nämlich eine fünfprozentige Anreicherung.

EU hebt Sanktionen teilweise auf

Zum Einlenken gebracht wurde Teheran durch ein engmaschiges Sanktionsnetz des Westens: Das Auslandsvermögen des Gottesstaates – nach US-Angaben geht es um einen Betrag von bis zu 100 Mrd. Dollar – wurde eingefroren, der Import von iranischem Erdöl untersagt, iranische Banken wurden vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten. Im Gegenzug für das iranische Zugeständnis wird das Sanktionsregime etwas gelockert. Insgesamt 4,2 Mrd. Dollar wollen die 5+1-Länder nun freigeben, die Auszahlung soll bis Juli in acht Tranchen erfolgen. Das Importembargo für iranisches Öl bleibt zwar aufrecht, petrochemische Produkte dürfen jedoch wieder nach Europa eingeführt werden.

Weiters dürfen Reedereien der EU wieder iranisches Rohöl in jene sechs Staaten transportieren, die bisher von dem Einfuhrverbot ausgenommen waren: China, Indien, Japan, Südkorea, Taiwan und die Türkei. Das Verbot, Schiffe für Öltransporte zu versichern oder zu verchartern, wurde gestern von den in Brüssel versammelten Außenministern der EU ausgesetzt, ebenso wie das Verbot des Handels mit Gold und Edelmetallen. Weiters werden die Obergrenzen für Überweisungen ohne Genehmigung in den Iran verzehnfacht: auf eine Million Euro für humanitäre Zwecke, 400.000 Euro für persönliche Zwecke und 100.000 Euro für alle anderen Transfers.

Der Weg zu einer Lösung des Konflikts ist allerdings noch weit: Das Genfer Abkommen ist auf sechs Monate befristet, während dieser Frist sollen die Konfliktparteien ein umfassendes Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen verhandeln. Die EU-Außenbeauftragte, Catherine Ashton, äußerte gestern die Hoffnung auf einen Beginn der Gespräche „in wenigen Wochen“. (ag./la)

Auf einen Blick

Sanktionen. Um den Iran von der Urananreicherung abzubringen, wurden iranisches Staatsvermögen im Westen eingefroren, die Banken des Landes vom internationalen Finanzsystem ausgeschlossen und ein EU-Importverbot für iranisches Rohöl verhängt. Nun sollen 4,2 Mrd. Dollar freigegeben und die Obergrenzen für Finanztransaktionen angehoben werden. Das Ölembargo der EU bleibt allerdings bis auf Weiteres aufrecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2014)

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