Mindestens 11.000 Menschen sollen in syrischen Gefängnissen zu Tode gefoltert worden sein. Ein ehemaliger Fotograf der Armee legte Beweisfotos vor. Rechtsexperten halten die Belege für stichhaltig.
Er war einst Fotograf der syrischen Militärpolizei, nun hat er sein grausames Wissen öffentlich gemacht: Der Mann, dessen Name vorerst nicht bekannt gegeben wurde, hat Beweisfotos vorgelegt, die die systematische Tötung von 11.000 Regimegegnern in syrischen Gefängnissen belegen sollen. Dies berichteten die britische Zeitung "Guardian" und der US-Sender CNN.
Denn seine Aufgabe war es unter anderem, fotografisch zu dokumentieren, dass die Anordnungen zur Ermordung bestimmter Gefangener ausgeführt wurden. Den Angehörigen sei etwa gesagt worden, dass die Todesursache der Häftlinge "Atemprobleme" oder "Herzinfarkt" gewesen seien". Und noch eine zweite Aufgabe hatten die Fotos zu erfüllen: Mit ihnen konnten die Behörden einen Totenschein ausstellen, ohne dass die Angehörigen zuvor die Leiche sehen mussten. Denn dann hätten sie leicht feststellen können, dass die offizielle Todesursache nicht stimmte.
Ausgemergelt, blutverschmiert, stranguliert
Einige der Fotoes zeigen Menschen, denen offenbar die Augen ausgestochen wurden, andere scheinen stranguliert worden zu sein oder mit Elektroschocks gefoltert, wieder andere waren blutverschmiert, viele ausgemergelt.
Die Aufnahmen, insgesamt sind es etwa 55.000 Bilder, könnten in Kriegsverbrecher-Prozessen als Beweismaterial verwendet werden, meinen drei renommierte Rechtsexperten, die früher als Ankläger bei Kriebsverbrechertribunalen zu Ex-Jugoslawien und Sierra Leone tätig waren. Einer von ihnen ist der Brite Desmond de Silva: Seiner Ansicht nach handelt es es sich um "Tötungen in industriellem Ausmaß." Wegen der Qualität der Belege sei ein Kriegsverbrecher-Prozess aussichtsreich: "Das ist ein eindeutiger Beweis, den es so nicht gab.
Auf USB-Sticks aus dem Land geschmuggelt
Sein Kollege David Crane, einst Ankläger gegen den liberianischen Diktator Charles Tayler vor dem UN-Tribunal für Sierra Leone, gibt sich geradezu enthusiastisch: "Das ist die Art von Beweisen, die sich jeder Ankläger wünscht". Der dritte Rechtsexperte, der einstige Chefankläger am Jugoslawien-Tribunal Sir Geoffrey Nice, räumt allerdings ein, dass es trotz allem schwierig sein werde, der Staatsführung die Morde direkt anzulasten.
Die Bilder wurden einem Bericht des "Guradian" zufolge zwischen März 2011, dem Beginn des Aufstandes gegen Diktator Bashar al-Assad, und dem August 2013 aufgenommen. Der Fotograf schmuggelte die Fotos auf USB-Sticks aus dem Land.
Britischer Arzt starb in syrischem Gefängnis
Im Dezember wurde der Falle von Abbas Khan bekannt, eines britischen Arztes, der nach Syrien gegangen war, um zu helfen, nachdem er syrische Flüchtlinge in der Türkei behandelt hatte. Laut seiner Mutter sei er vermutlich acht Monate lang gefoltert worden. Am Ende sagte man der Familie, er habe im Gefängnis Selbstmord begangen. Doch daran glaubt von seinen Angehörigen niemand.
>>> Zum Artikel des "Guardian"
(APA/Reuters/hd)