Syrien-Konferenz beginnt mit Handgemenge

Die syrische Stadt Aleppo am 21. Jänner 2014.
Die syrische Stadt Aleppo am 21. Jänner 2014.(c) Reuters
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Die Friedenskonferenz in Montreux startet mit schweren Vorwürfen gegen das Assad-Regime - und einem Wortgefecht.

Mit einem heftigen Wortwechsel zwischen dem UN-Generalsekretär und Syriens Außenminister Walid al-Muallim hat die Syrien-Friedenskonferenz begonnen. Muallim weigerte sich trotz einer Ermahnung von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, sich an die vorgeschriebene Redezeit zu halten. Der Außenminister sprach am Mittwoch statt 10 Minuten mehr als 20 Minuten lang und sagte: "Nach drei Jahren des Leidens ist das mein gutes Recht."

Am Rande der Konferenz sind scheinbar auch mehrere regimekritische Journalisten angegriffen worden. Als der Journalist Ahmet Sakariya den syrischen Informationsminister Omran al-Soabi fragte, ob er den Rücktritt des Präsidenten Bashar al-Assad akzeptieren würde, falls die Konferenz das beschließe, soll er von mehreren Begleitern des Ministers tätlich angegriffen worden sein. Zudem, so Sakariya, seien zwei seiner Kollegen von Pro-Remine-Demonstranten geschlagen worden.

Vorwurf: Kriegsverbrechen

Der syrische Oppositionsführer Ahmad al-Jarba warf Bashar al-Assad in seiner Eröffnungsrede Kriegsverbrechen vor. Neue Fotos aus Gefängnissen belegten, dass Gefangene gefoltert würden und Regierungstruppen Verbrechen verübten, die denen der Nazis gleichkämen, sagte Jarba am Mittwoch bei der Friedenskonferenz in Montreux.

Jarba ist Präsident des vom Westen unterstützten Oppositionsbündnisses Nationale Koalition. Assad sei verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Jarba forderte die syrische Regierungsdelegation auf, unverzüglich die "Genf-1-Vereinbarung" zu unterzeichnen, die eine Übergangsregierung in Syrien und einen Rückzug Assads von der Macht vorsehe. Er werde keine Gespräche darüber akzeptieren, dass Assad an der Macht bleibe, sagte Jarba.

"Rote Linie"

Damit sind die Fronten gleich zu Beginn der Verhandlungen verhärtet: Außenminister Muallim erklärte bereits bei seiner Ankunft, dass die politische Zukunft von Staatschef Assad nicht verhandelbar sei. "Fragen, die den Präsidenten und das Regime betreffen, sind rote Linien für uns und das syrische Volk". In seiner 'Eröffnungsrede verlangte er dann ein Ende der Waffenlieferungen an die Aufständischen. Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht länger Terroristen unterstützen. Als Terroristen bezeichnet die Führung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad die Rebellen, die seit fast drei Jahren gegen sie kämpfen. Der Konflikt werde nicht in Syrien enden, sondern alle Nachbarländer in Mitleidenschaft ziehen, warnte Muallim. Syrien werde alles tun, um sich zu verteidigen, und dabei die Wege beschreiten, die es für angemessen halte.

SWITZERLAND MONTREUX GENEVA 2 PEACE TALKS
SWITZERLAND MONTREUX GENEVA 2 PEACE TALKSAPA/EPA/RAINER JENSEN

An den Gesprächen in Montreux nehmen Vertreter der Regierung in Damaskus, der Opposition und ausländische Diplomaten teil. Die eigentlichen Verhandlungen über einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung sollen zwei Tage später am Sitz der Vereinten Nationen in Genf starten. Beobachter bezeichneten die Verhandlungen als letzte Chance der internationalen Diplomatie in dem Konflikt. In Genf wird es aber keine Direktgespräche zwischen den Konfliktparteien geben, hieß es am Mittwoch. Sie sollen sich in zwei verschiedenen Sälen aufhalten, während die Vermittler zwischen den Räumen hin- und herpendeln werden.

Schutz der Kinder

Zugleich erwarten westliche Diplomaten keine schnellen Erfolge. US-Außenminister John Kerry betonte vor Beginn, es gehe bei diesen Verhandlungen nicht nur um humanitäre Fragen und lokale Waffenstillstandsvereinbarungen, sondern um eine umfassende Friedenslösung.

Frankreich verlangte in Montreux eine sofortige Waffenruhe im Bürgerkriegsland. Außerdem müssten Korridore für Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung geöffnet werden, sagte der französische Außenminister Laurent Fabius. In einem offenen Brief wandten sich mehrere Hilfsorganisationen an die Teilnehmer der Konferenz und apellierten darin, den Schutz der Kinder vorrangig zu behandeln.

Genf I

Auf Initiative des damaligen Syrien-Sondergesandten Kofi Annan berieten Ende Juni 2012 in Genf die Außenminister der fünf UN-Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA, arabischer Staaten und der Türkei über die Zukunft des Landes. Grundlage war ein Sechs-Punkte-Plan, den Annan einige Monate zuvor vorgelegt hatte. Dieser sah eine Waffenruhe und einen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition vor, hatte sich aber als weitgehend wirkungslos erwiesen.

In Genf einigte sich die sogenannten Syrien-Aktionsgruppe auf die Grundzüge eines politischen Übergangs in Syrien. Zentraler Punkt: Der Übergangsregierung sollten auch Vertreter der Regierung von Machthaber Bashar al-Assad angehören können. Eine Übergangsregierung "könnte Mitglieder der aktuellen Regierung und der Opposition und anderer Gruppen einschließen und soll im gegenseitigen Einvernehmen gebildet werden", hieß es in der Erklärung.

Die Zukunft von Assad selbst wurde in der Erklärung nicht präzisiert, was Raum für gegensätzliche Interpretationen ließ. Die USA sehen Genf I als Basis für eine neue Ära in Syrien ohne Assad - Russland und China betonen dagegen, dies sei einzig und allein die Entscheidung der syrischen Bevölkerung. Assad hat erst kürzlich erneut deutlich gemacht, dass er nicht daran denkt, die Macht abzugeben - und eine dritte Amtszeit anstrebt.

Die Genf-I-Einigung vom Juni 2012 sah weiterhin vor, dass eine Übergangsregierung eine mögliche Verfassungsänderung in Syrien vorbereiten sollte. Diese sollte dann der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Als nächster Schritt waren freie Wahlen vorgesehen. Verankert wurden zudem die Forderungen, Hilfslieferungen für die Betroffenen des Bürgerkriegs zu ermöglichen, Gefangene freizulassen und den Opfern der Gewalt ein Anrecht auf Entschädigungen einzuräumen.

(APA/dpa)

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