Serbenführer von Kriegsvergangenheit eingeholt

Oliver Ivanović, EU, Haft, Serbien
Oliver Ivanović, EU, Haft, Serbien(c) EPA (Sasa Stankovic)
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EU-Justizmission verhaftete den serbischen Politiker Oliver Ivanović. Der Vorwurf: Beteiligung an der Vertreibung und Ermordung von Albanern. Er war Favorit für die Bürgermeisterwahl am 23.Februar in Mitrovica.

Wien/Kosovska Mitrovica. Ungünstiger hätte der Zeitpunkt für Oliver Ivanović nicht ausfallen können: Der prominenteste serbische Politiker aus dem Kosovo, der bei der Bürgermeisterwahl im Norden der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica am 23.Februar gute Karten gehabt hätte, wurde Montagabend überraschend verhaftet. Ihm wird Beteiligung an Kriegsverbrechen in den Jahren 1999/2000 vorgeworfen.

Die Vorwürfe sind jedoch alles andere als neu: Im Kern geht es um Ivanovićs führende Funktion bei den berüchtigten „Brückenwächtern“. Das war ein Schlägertrupp, der noch lange nach Ende des Kosovo-Kriegs 1999 die sogenannte Austerlitz-Brücke bewachte und seinen Stützpunkt im Café Dolce Vita hatte. Die Brücke ist der wichtigste Übergang vom serbischen Norden in den albanischen Süden der Stadt und Symbol ihrer Teilung. Die war nicht immer so strikt, wurde aber durch die über das Kriegsende hinaus andauernden ethnischen Säuberungen zementiert. Bei der Vertreibung von Albanern aus dem Norden starben Anfang 2000 zehn Menschen. Schon die Unmik, die einstige UN-Verwaltung des Kosovo, ermittelte in der Sache gegen Ivanović, stellte die Ermittlungen aber wieder ein.

Nun wurden sie wieder aufgenommen, und der heute 60-Jährige fand sich am Montag freiwillig zum Verhör bei einem Ermittler der EU-Justizmission Eulex ein. Der ließ ihn im Anschluss verhaften, und ein (internationaler) Richter verhängte gleich einmal eine einmonatige Untersuchungshaft. Ivanović wird damit die Wahl versäumen.

„Im Kosovo ist nichts zufällig“

Der stets freundlich auftretende Politiker zählt längst zu den gemäßigten Kräften im Nord-Kosovo, war seit Jahren ein bevorzugter Ansprechpartner internationaler Politiker bzw. der diversen zivilen und militärischen Missionen im Kosovo und nicht zuletzt auch ausländischer Journalisten. 2008 bis 2012 diente er der serbischen Regierung als Staatssekretär im Kosovo-Ministerium. Nun wäre er der Spitzenkandidat der Liste „Serbien, Demokratie, Gerechtigkeit“ (SDP). In Mitrovica gingen seine Unterstützer auf die Straße, die Regierung in Belgrad gab sich „irritiert“ und forderte von der Eulex umfassende Informationen. Justizminister Nikola Selaković vermutet hinter der Verhaftung offenbar politische Motive: „Im Kosovo geschieht nichts zufällig“, sagte er dem Sender B92.

Die Auswirkungen könnten über die Wahl am 23. hinausgehen: Bürgermeister und andere Funktionäre der SDP drohten mit Rücktritt, sollte Ivanović einen Prozess nicht in Freiheit erwarten können. Und sie drohten mit schwerem Schaden für das Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen, das Belgrad und Prishtina unter großen Mühen und ebenso großem Druck der EU 2013 schlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2014)

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