Ukraine: Klitschko schlägt gegen Wien aus

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Oppositionsführer wirft Janukowitsch dubiose Geschäfte in Österreich vor. Doch wie „Die Presse“ erfuhr, laufen in Wien keine Ermittlungen gegen den Präsidenten oder Ex-Premier Asarow.

Kiew. Es ist ein goldenes Mahnmal, das nun in Kiews Stadtzentrum prangt. Und zwar genau dort, wo noch vor Kurzem der „Revolutionsführer“ thronte. Auf dem Sockel der im Dezember von Regierungsgegnern gestürzten Lenin-Statue ist seit dieser Woche eine goldene Klomuschel zu sehen. Lenin hat einst seinen Bolschewisten für den Fall eines kommunistischen Siegs goldene Toiletten prophezeit. „Die heutigen Abgeordneten sollten statt für einen alten Mann und goldene Toiletten doch für das Wohl ihres Landes arbeiten“, erklärte dazu ein Demonstrant in Kiew süffisant.

Die Protestbewegung in Kiew ist zwar proeuropäisch. Österreich hat im Lager der Regierungsgegner aber einen schweren Stand: Immer wieder kursieren Gerüchte, wonach ukrainische Spitzenpolitiker in der Alpenrepublik Geld waschen und anderen dubiosen Geschäften nachgehen. In der Dienstagausgabe der deutschen „Bild“-Zeitung legte Vitali Klitschko nach: Der Oppositionsführer warf Präsident Viktor Janukowitsch vor, sich schamlos persönlich bereichert und Millionen ins Ausland (Liechtenstein, Schweiz) geschafft zu haben. „Eine besondere Bindung hat der Präsident auch nach Österreich, wo er seine komplizierten Scheingeschäfte offenbar durchführt“, schrieb Klitschko.

Ex-Premier hat Wien verlassen

Nähere Hin- oder Beweise lieferte der Boxweltmeister nicht. Nur so viel: „Es ist wohl kein Zufall, dass sich der zurückgetretene Ministerpräsident Mykola Asarow ausgerechnet dort besonders wohlfühlt.“ Auch dem Ex-Premier wird Bereicherung vorgeworfen.

Asarow war in der Vorwoche nach seinem Rücktritt in Wien gelandet. Am Montag forderte auch der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister und nunmehrige Oppositionelle Anatolij Grytsenko die Verhaftung des Ex-Premiers durch Österreichs Behörden. Bloß: Asarow war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Land. Wie „Die Presse“ erfuhr, ist Asarow bereits am Sonntag zurück nach Kiew geflogen. Zuvor soll er einige Tage bei seinem Sohn in Wien-Währing gewohnt haben. Österreichs Justiz hat sich wegen der Anschuldigungen gegen ukrainische Spitzenpolitiker bisher nicht eingeschaltet. Es laufen weder gegen Asarow noch gegen Janukowitsch Ermittlungen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien zur „Presse“.

Zuckerbrot und Peitsche

In den Machtkampf um Kiew kam indessen Bewegung: Am Dienstag erklärte überraschend ein Abgeordneter aus Janukowitschs Partei der Regionen, dass der Präsident Neuwahlen in Erwägung ziehe. Der Abgeordnete Juri Miroschnitschenko zitierte den Präsidenten im TV-Sender ICTV mit den Worten: „Falls wir Politiker uns nicht einigen können, sind vorgezogene Wahlen der einzige demokratische Ausweg, wie die Krise zu lösen ist.“ Später soll Miroschnitschenko aber zurückgerudert sein. Neuwahlen sind eine Kernforderung der Demonstranten – und der Europäischen Union. Brüssel verfolgt mit Blick auf die Ukraine eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche: Der ukrainischen Führung wird öffentlich mit Sanktionen gedroht, zuletzt durch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (woraufhin der deutsche Botschafter am Dienstag ins ukrainische Außenamt zitiert wurde). Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton stellte der Ukraine jedoch ein Geldpaket in Aussicht. Freilich unter der Bedingung, dass eine Übergangsregierung unter Beteiligung der (proeuropäischen) Opposition gebildet wird.

Unter umgekehrten Vorzeichen hatte Janukowitsch im November das unterschriftsreife EU-Assoziierungsabkommen platzen lassen und so die Massenproteste ausgelöst. Damals hatte Russland mit Geldgeschenken die 180-Grad-Wende herbeigeführt.

Dass die EU-Außenminister demnächst Sanktionen beschließen könnten, galt am Dienstag trotz Steinmeiers Drohung als eher unwahrscheinlich. Eine Reihe von EU-Außenministern, darunter auch Österreichs Sebastian Kurz, zeigte sich in den vergangenen Tagen skeptisch. Zumal die Europäische Union in Kiew (auch) als Vermittler auftreten will. (strei/ag.)

AUF EINEN BLICK

Ukraine. Oppositionsführer Vitali Klitschko wirft Viktor Janukowitsch vor, sich persönlich bereichert zu haben. Der ukrainische Präsident soll demnach auch in Österreich Scheingeschäfte durchführen. Im Machtkampf um Kiew könnte Janukowitsch einer Kernforderung der Opposition nachgeben: Einem Parteifreund zufolge erwägt der Präsident nun doch Neuwahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2014)

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