Ukraine: Oligarchen hadern mit dem Monarchen

Rinat Achmetow
Rinat Achmetow(c) EPA (Sergey Dolzhenko)
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Die Ukraine wurde immer von Oligarchen gelenkt. Präsident Janukowitsch ist deren Kind und hat sich von ihnen etwas emanzipiert. Nun zeigen sie sich mit ihm unzufrieden.

Wien. Am Mittwoch voriger Woche war es knapp. Draußen auf den Straßen Kiews herrschte nach wie vor Hochspannung, als plötzlich drinnen im Parlament die Oligarchen, die zumindest zwei Fünftel der ukrainischen Wirtschaftsleistung erbringen, ihre eigenen Kräfteverhältnisse testeten. Kurz hieß es, dass einige der von den Oligarchen aufgestellten Abgeordneten für eine liberalere Version des Amnestiegesetzes stimmen könnten, als das Präsident Viktor Janukowitsch lieb war. Da trommelte er alle zusammen, las ihnen die Leviten und brachte sie wieder auf Linie.

„Er hat sie verschreckt und wohl mit dem kompromittierenden Material gedroht, das er gegen sie hat“, erklärt Wladimir Dubrowskiy. Chefökonom beim Wirtschaftsinstitut Case Ukraine, zur „Presse“. Die Multimilliardäre waren wieder still.

Das waren sie eigentlich die ganze Zeit über, seit Janukowitsch 2010 ins Amt gekommen war. Und das blieben sie auch nach dem November, als er das EU-Assoziierungsabkommen hat platzen lassen und damit die Proteste lostrat. Nur der 48-jährige Petro Poroschenko, der mit der Produktion von Schokolade zu einem Milliardenvermögen gekommen war, stellte sich offen auf die Seite der Demonstranten. Poroschenko, der sich als zwischenzeitlicher Zentralbankchef am liebsten vom ehemaligen österreichischen IHS-Chef Bernhard Felderer beraten ließ, ist gewiss kein Hasardeur. Seinen Spielraum kalkuliert er genau, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er beizeiten als Kompromisspremier ins Spiel kommt, mit dem beide Seiten könnten.

Die anderen Oligarchen, die Janukowitsch schon vor zehn bis 15 Jahren groß zu machen begannen, bleiben, abgesehen von ihrem Ausbruchversuch vorigen Mittwoch, vorsichtig. Das heißt nicht, dass sie über die Entwicklung froh sind. Wie sie lavieren, lässt sich an der Berichterstattung in den von ihnen kontrollierten TV-Sendern ablesen. Die meisten haben Ende November eine objektive Haltung eingenommen, sind dann, als Russland den Milliardenhilfskredit beschlossen hat, auf Janukowitschs Seite geschwenkt, und suchen seit der Eskalation im Jänner wieder die Mitte. Dass der Chemieindustrielle Dmitro Firtasch, der seine umstrittene Existenz im Gas-Trading zwischen Russland und Europa kurzzeitig durch die Treuhandschaft der Raiffeisen Invest AG vertuschen ließ, und der mit 15 Milliarden Dollar reichste Ukrainer Rinat Achmetow sich Ende Jänner für Deeskalation und Verhandlungen ausgesprochen haben, gilt als Sensation.

Oligarchen sehen Geschäft gestört

Was die Oligarchen am meisten zu stören beginnt, sind die makroökonomische Verschlechterung, die Talfahrt der Währung und die steigenden Kreditzinsen. Was sie am meisten fürchten, sind Sanktionen seitens der EU und der USA, wo sie ihre metallurgischen und chemischen Erzeugnisse absetzen. Auch mit Russland wollen sie normale Verhältnisse – sprich eine gesunde Nähe fürs Geschäft und eine gesunde Distanz, um nicht von den dortigen mächtigeren Tycoons geschluckt zu werden.

Janukowitsch gegenüber gerät die alte Loyalität ins Wanken, weshalb Serhij Ljowotschkin, Geschäftspartner von Firtasch, zu Jahresbeginn die Leitung der Präsidentenadminstration aufgegeben hat. Der Grund ist einfach: Janukowitsch fungiert im Unterschied zu früheren Präsidenten nicht mehr als Schiedsrichter im Oligarchenwettkampf, sondern ist selbst zum Player geworden. Offen über seinen Sohn Oleksandr, weniger offen über den 28-jährigen Serhij Kurtschenko, der im Dunstkreis von Oleksandr im Nu Milliardär wurde und sich neben dem – auch illegalen – Öl- und Gashandel im Mediengeschäft breitgemacht hat. Im Handumdrehen kaufte er die zwei führenden Wirtschaftsmagazine der Ukraine, darunter das aufmüpfige „Forbes“-Magazin. Die Übernahme des kritischen TV-Senders TVi wurde mit kräftigen Burschen bewerkstelligt, die in die Redaktion eindrangen. „Die traditionellen Oligarchen sind ungehalten darüber, dass diese Jungoligarchen nichts geschaffen haben und ihren Reichtum zusammenstehlen“, sagt Dubrowskiy.

Österreich zur Sicherheit

Dass dieses Geld neben anderen Offshore-Inseln auch gern in Österreich landet bzw. ebendort Firmen für zusammengeraffte Vermögenswerte registriert wurden, ist längst bekannt und wurde in der „Presse“ wiederholt berichtet. Die zuletzt gehäuften Berichte darüber in diversen Medien beruhen alle auf Recherchen der ukrainischen Internetzeitung „Ukrainskaja Prawda“.

Gerade das Brüderpaar Kljujew hat früh die Fühler nach Wien ausgestreckt – schon vor der Orangen Revolution vor 13 Jahren. Seither sind sie von Österreich aus steuerbegünstigt zum größten Produzenten von Solarenergie in der Ukraine geworden und haben dort auch hohe Tarife durchgesetzt. Zuletzt hat Andrej Kljujew von Ljowotschkin die Leitung der Präsidentenkanzlei übernommen. Die österreichischen Behörden haben wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen die Kljujews ermittelt, das Verfahren wurde wegen fehlender Beweise aber im August 2013 eingestellt.

Die Absicherung im Ausland ist kein Spezifikum der Kljujews. Und kein Novum: Achmetow, Janukowitschs erster Financier und Chef des Fußballklubs Schachtjor Donezk, hatte im Zuge der Orangen Revolution das Weite gesucht und kurz in Italien gelebt. In Österreich hat er nach „Presse“-Informationen damals um Aufenthaltsgenehmigung angesucht und als Gegenleistung Investitionen in Spitäler angeboten, ist aber abgeblitzt.

Der Einzige, der vor einiger Zeit überhaupt auswanderte und nun in der Schweiz lebt, ist der zuvor drittreichste Ukrainer, Igor Kolomojski. Er wurde von Janukowitsch heftig attackiert, schickte daher auch seine Fluggesellschaft Aerosvit demonstrativ in Konkurs. Seine Großbank „Privat“ konnte er behalten. Dem Vernehmen nach hat er gedroht, mit Spekulationen auf dem Markt das ukrainische Finanzsystem zu erschüttern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2014)

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