Von Nettozahlern und Nutznießern

Russian tycoon Oleg Deripaska takes part in a discussion meeting at the St. Petersburg International Economic Forum in St. Petersburg
Russian tycoon Oleg Deripaska takes part in a discussion meeting at the St. Petersburg International Economic Forum in St. Petersburg(c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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Die Spiele in Sotschi hätten ohne die Investitionen russischer Milliardäre nicht gestemmt werden können. Ihr Geld werden sie nicht so schnell wieder sehen. Das haben andere eingestreift. Etwa Putins Freunde aus dem Judoklub.

Wien/Sotschi. Wladimir Potanin hat viele schlaue Schachzüge im Leben gemacht. Schon in den 1990er-Jahren war er einer der Ersten, der sich lukrative Industrieaktiva gesichert hat, und er hat als einer der berühmten Bankiers, die noch wahre Oligarchen waren, Präsident Boris Jelzin unterstützt. Seither gebietet Potanin über Banken, Medien und vor allem über den weltweit größten Nickelkonzern Norilsk Nickel.

Welcher Teufel ihn freilich geritten hat, schon früh bei Sotschi ein Skiresort für 70 Mio. Dollar zu bauen, wird ihn noch lange beschäftigen. Als Erstes ließ er ein Häuschen namens „Tirolerhaus“ hinstellen. Dass er auch einen Tiroler Haubenkoch eingestellt hatte, machte das alpine Gefühl perfekt. Mitunter kam Kreml-Chef Wladimir Putin vorbei, erzählte der Koch später der „Presse“ und wurde dafür fast gefeuert. Die Olympia-Bewerbung war sicher längst Thema. Potanin selbst war ein Freund der Idee und sponserte für die Bewerbung 30 Mio. Dollar. Als später freilich der Zuschlag kam, wurde Potanin fast auch vom Schlag getroffen. Nun war klar, dass er die ganze Infrastruktur um sein Skiresort, wo nun alle alpinen Wettbewerbe stattfinden, zu finanzieren hat.

„Ein derart teures Geschenk habe ich noch nie gemacht“, sagte der heute 54-Jährige, der vom russischen „Forbes“-Magazin auf 14,3 Mrd. Dollar geschätzt wird, dieser Tage in einem „Forbes“-Interview. Kein anderer hat mehr gezahlt als er. 81,5 Mrd. Rubel (2,4 Mrd. Dollar) ließ er ins Gebiet fließen. Wo sich früher Fuchs und Hase gute Nacht gesagt haben, schwingen sich nun Gondeln über die Schluchten. Hotels internationaler Marken umgeben die Talstation, neben einem Pelzladen für die weibliche russische Hautevolee.

Ganze neun Milliardäre mussten in Sotschi investieren. So Oleg Deripaska, der heute 46-jährige Chef des weltweit größten Alu-Konzerns Rusal und der Holding Basel, die teils von Ex-Magna-Manager Sigfried Wolf geleitet wird. Schon vor der Vergabe der Spiele wurde Deripaska in Sotschi aktiv und begann den Flughafen zu bauen. Es war die Zeit der Expansionswut, die Deripaska gerade erfasst hatte. Auf Pump kaufte er, was nicht niet- und nagelfest war, und musste dann vieles abstoßen, als ihn die Finanzkrise nach unten schleuderte. An der Strabag hält er noch knapp 20 Prozent.

Am Anfang stand die Euphorie

In Sotschi hat Deripaska 44,2 Mrd. Rubel investiert. Mit der Strabag baute er das olympische Dorf und den Hafen, der zwischendurch von einer Welle weggespült wurde.

Andere Tycoons investierten weniger. Wenn auch mit Begeisterung. Zumindest am Anfang haben sich Schlangen von Unternehmern gebildet, die am Megabauprojekt teilnehmen wollten, erzählt Potanin: „Alle dachten, Klondike werde hier stattfinden und Unsummen seien zu verdienen. Alle begannen zu bauen, sogar die Biber.“

Später, als klar wurde, dass sich die Objekte kaum jemals rechnen würden, verflog die Euphorie und damit mancher Investor. Einer musste ganz unfreiwillig einspringen: Viktor Wekselberg, viertreichster Russe, der sein Geld im Öl- und Alu-Geschäft verdiente und nun auch die Schweizer Oerlikon besitzt. Er wurde 2012 ins Rennen geschickt, um 3500 Hotelzimmer zu bauen. Für 16 Mrd. Rubel.

Dies alles ist freilich nur ein Bruchteil dessen, was der Staat nach Sotschi überwiesen hat. Die Kosten für die Spiele erhöhten sich von geplanten zwölf Mrd. Dollar auf letztlich 50 Mrd. Dollar. Auffällig ist, dass die Privatinvestoren alles Unternehmer sind, die schon in den 1990er Jahren – vor Putin – ihr Vermögen angehäuft haben.

Hinten warteten die Profiteure

Wie zum Kontrast kommen diejenigen, die in Sotschi Großaufträge erhielten, vorwiegend aus dem Kreis, der später mit Putin an der Macht reüssierte, weil er entweder früher mit dem Kreml-Chef im Judoklub trainiert hatte oder mit ihm die Datschen-Kooperative bei Petersburg bewohnte. Mehr Aufträge als alle anderen sicherte sich Arkadi Rotenberg, Putins Judo-Sparringpartner und heute ebenfalls Multimilliardär. Mit 235 Mrd. Rubel betrug das Auftragsvolumen sage und schreibe ein Sechstel der gesamten Investitionen in Sotschi. Auch das Unternehmen SK Most, 2012 von Gennadi Timtschenko übernommen, erhielt Aufträge für gut 1,7 Mrd. Dollar. Timtschenko war lange Zeit eine geheimnisvolle Persönlichkeit. Auch ihn kennt Putin aus dem Judoklub. Später entpuppte er sich als einer der größten Ölhändler und Kernaktionär beim zweitgrößten Gaskonzern Novatek.

Gut verdient hat schließlich auch Wladimir Jakunin, Putins Datschen-Nachbar und Chef der russischen Eisenbahnen. Die Baukosten für die Bahntrasse haben sich auf 266,4 Mrd. Rubel verdreifacht. Zuletzt ist Jakunin mächtig in Verruf geraten, weil russische Medien seine Luxusvilla und dazu sechs Häuser plus Gebetsraum mit teuren Ikonen entdeckt haben.

Altoligarchen sponserten quasi Neuoligarchen. Wiewohl auch Altoligarch Deripaska sich Aufträge für gut eine Mrd. Euro herausholte. Ohnehin haben nur sechs der Tycoons eigenes Geld riskiert. Der Rest borgte es sich großteils von der Staatsbank VEB. Die meisten Kredite sind jetzt notleidend. Die Bank selbst hat die Regierung um eine Kapitalspritze gebeten. Die Investoren bitten um Kreditstreckung. Und dass ihnen der Planungshorizont zur Amortisierung der Projekte verlängert wird: von sieben auf 40 Jahre.

AUF EINEN BLICK

Die Milliardäre der 1990er-Jahre mussten für die Olympischen Spiele in Sotschi tief in die Tasche greifen. Vor allem Wladimir Potanin und Oleg Deripaska zahlten den Aufbau der Infrastruktur. Zum Teil borgten sie das Geld von der staatlichen Bank VEB.

Die Aufsteiger aus der Putin-Ära bekamen hingegen die meisten Aufträge. Umverteilung auf russische Art.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

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