Die Karrierediplomatin Victoria Nuland macht kein Hehl aus ihrer Geringschätzung der EU. In der NSA-Affäre versucht sie indessen, den Bruch zu kitten.
Als Sprecherin des State Departement und der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton war es Victoria Nulands Aufgabe, in vielen Worten möglichst wenig auszusagen. Dies liegt in der Natur der Diplomatie, und es ist gewissermaßen sogar die hohe Staatskunst, die die 52-jährige Karrierediplomatin im Außenministerium von der Pike auf gelernt hat.
Als Vize-Außenpolitikberaterin des republikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney und als Sprecherin Hillary Clintons agierte sie geschmeidig zwischen den politischen Fronten in Washington, in der „Bengasi-Affäre“ um den Anschlag auf den US-Botschafter zog sie indessen das Sperrfeuer auf sich.
Als Nato-Botschafterin der USA in Brüssel präsentierte sich die Tochter eines Medizinprofessors in Yale – Geburtsname: Nudelman – als „tough cookie“, als harte Nuss. Schon auf ihrem ersten Posten in Moskau bewies sie Standfestigkeit, daher rührt ihr Spitzname „Toria“ und ihre Vorliebe für eiskalten Stolichnaya-Wodka – liebevoll „Stoli“.
Privater Zündstoff
Verheiratet ist Nuland mit Robert Kagan, einem Star der „Neo-Cons“, einem neokonservativen Vordenker und Historiker, Galionsfigur der liberalen Denkfabrik Brookings Institution und Außenpolitikberater der republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und Mitt Romney, was zu Hause wohl für Zündstoff sorgt.
Ein Drittel ihrer Zeit verbringt die Chefin der Europa-Abteilung des US-Außenministeriums derzeit im Ausland, zuletzt häufig in Kiew, wo sie sich als Vermittlerin mit eindeutigen Sympathien und einer dezidierten Meinung eingeschaltet hat. Zugleich versucht sie, in der NSA-Affäre den Bruch zu kitten.
Von der Politik der EU („Fuck the EU“) hält sie hinter den Kulissen nicht allzu viel, wie ihr abgehörtes Gespräch mit dem US-Botschafter in der Ukraine verriet. In einem Vortrag vor dem Thinktank Atlantic Council beschwor sie offiziell freilich eine „transantlantische Renaissance“, sie beteuerte: „Amerika braucht ein starkes Europa – und umgekehrt.“ Den Wirbel um ihr Telefonat tat sie mit einem Achselzucken ab: „All das gehört zum Job.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)