Israel: Tumulte bei Schulz-Rede in der Knesset

President of the European Parliament Martin Schulz delivers a speech after being awarded an honorary
President of the European Parliament Martin Schulz delivers a speech after being awarded an honorary(c) imago/David Vaaknin (imago stock&people)
  • Drucken

Abgeordnete verlassen unter "Schande"-Rufen während der Rede des EU-Parlamentpräsidents den Saal und bezichtigen Schulz der Lüge.

Eine Rede des EU-Parlamentspräsidenten, Martin Schulz (SPD) im israelischen Parlament in Jerusalem hat Tumulte und Beschimpfungen durch rechte Abgeordnete ausgelöst. Parlamentarier der rechten Siedlerpartei von Wirtschaftsminister Naftali Bennett verließen israelischen Medien zufolge unter Protest den Saal und bezichtigten Schulz der Lüge. Eine Reaktion des Politikers gab es zunächst nicht.

Schulz hatte während seiner Rede gesagt, ein junger Palästinenser habe ihm erzählt, Israelis hätten im Westjordanland einen etwa viermal höheren Anspruch auf Trinkwasser als Palästinenser. Ob das stimme, fragte der EU-Politiker in der Knesset laut israelischen Medien. Daraufhin schrie ihn der Abgeordnete Moti Jogev, Parteifreund Bennetts, an: "Schämen Sie sich, Sie unterstützen jemanden, der gegen Juden hetzt."

Außerdem habe Schulz gewarnt, dass die israelische Blockade des Gazastreifens dort Extremisten in die Hände spielen könne, was wiederum eine Gefährdung der Sicherheit Israels zur Folge haben könne. Schulz, der zu Beginn seiner Gastrede gesagt hatte, ihm sei bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, dass er sie an diesem Ort auf Deutsch halten dürfe. Der EU-Parlamentspräsident führte aus, auch die Palästinenser wollten "in Frieden leben und unbegrenzte Bewegungsfreiheit haben". Dies werde ihnen in Gaza verwehrt.

"Schande"-Rufe

Bennett hatte die Knesset gemeinsam mit seinen Fraktionskollegen unter "Schande"-Rufen verlassen. Anschließend bezichtigte er Schulz auf seiner Facebook-Seite, die Unwahrheit gesagt zu haben. "Ich fordere den Präsidenten des Europäischen Parlaments auf, sich von seinen beiden lügnerischen Äußerungen zu distanzieren", schrieb Bennett. "Ich akzeptiere keine Lügen von einem Deutschen", wurde der Minister zitiert. Schulz müsse sich entschuldigen.

Ein enger Mitarbeiter Bennetts sagte der AFP, sein Parteichef habe nicht wegen Kritik an der israelischen Politik den Saal verlassen. Diese halte er für legitim, auch wenn er sie überhaupt nicht teile. Bennett sei wegen zwei Aussagen von Schulz, die er für "himmelschreiende Lügen" halte, hinausgegangen. Neben falschen Wasserdaten habe der EU-Parlamentspräsident die Restriktionen für Gaza angesprochen - ohne zugleich die unaufhörlichen Raketenangriffe zu erwähnen, denen Israel von dort ausgesetzt sei.

Der für extreme Äußerungen bekannte Abgeordnete Moshe Feiglin, Mitglied der Likud-Partei von Regierungschef Benjamin Netanyahu, war der auf Deutsch gehaltenen Rede ganz fern geblieben. "Ich werde während der Rede abwesend sein, weil es unpassend ist, dass im Parlament des jüdischen Staates eine Rede in der Sprache gehalten wird, in der unsere Eltern in die Eisenbahnwaggons und in die Krematorien gestoßen wurden", schrieb er auf Facebook.

Kurz vor seiner Knesset-Rede hatte Schulz noch eine bisweilen übergroße Empfindlichkeit in Israel gegenüber Kritik aus Europa beklagt. "Gegenseitige Kritik ist in Demokratien ganz normal", entgegnete er auf Vorhaltungen israelischer Journalisten. Sie hatten Europa vorgeworfen, Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten zu kritisieren, Menschenrechtsverbrechen wie in Syrien aber nur am Rande zu erwähnen. "Die EU steht zu ihren besonderen Beziehungen zu Israel, aber das bedeutet nicht, dass sie mit jeder Entscheidung der israelischen Regierung einverstanden sein muss", betonte Schulz.

Hinsichtlich des Friedensprozesses plädierte der EU-Politiker für Pragmatismus. "Die israelischen Siedlungen sind nach der Genfer Konvention illegal, aber sie sind auch real", sagte er. "Wir brauchen keine Diskussion, ob sie legal oder illegal sind, sondern über praktische Lösungen". Einem Boykott Israels erteilte Schulz eine klare Absage.

Israelischen Medien zufolge ist der Wassermangel der Palästinenser vor allem eine Folge mangelnder Infrastruktur. Die Blockade des Gazastreifens sei zudem weitgehend aufgehoben. Es sei nur noch die Einfuhr von Materialien verboten, die für den Bunker-oder Waffenbau verwendet werden könnten. Ausreisegenehmigungen für Palästinenser aus der verarmten Enklave am Mittelmeer erteilt Israel jedoch nur in Ausnahmefällen.

Nach Angaben der UN-Organisation für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) verbrauchen die Israelis in Israel und in den Siedlungen täglich im Durchschnitt 300 Liter Wasser, bei den Palästinensern sind es 70 Liter. Diese Zahlen stehen in einem Sonderbericht der OCHA vom März 2012.

Der EU-Parlamentspräsident hatte Israel am Vorabend zugesichert, dass die Europäische Union keinen Boykott gegen das Land plane oder befürworte. "Es gibt keinen Boykott. Im Europäischen Parlament gibt es dafür sicherlich auch keine Mehrheit", sagte Schulz in der Hebräischen Universität von Jerusalem. "Wir führen eine Debatte, ob Erzeugnisse aus den Siedlungen in besetzten Gebieten auf den EU-Markt gelangen können, ohne die Regeln der Europäischen Union zu verletzen. Der Ausgang ist offen."

Schulz, der sich seit Sonntag in der Region aufhält, hielt an der bedeutendsten israelischen Hochschule eine Gastvorlesung, nachdem ihm zuvor die Ehrendoktorwürde verliehen worden war. Die Universität würdigte damit nach Aussage ihres Präsidenten Menachem Ben-Sasson den Einsatz des deutschen Sozialdemokraten gegen Antisemitismus und Intoleranz.

Am Montag hatte Schulz in Ramallah mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas über die laufenden Friedensverhandlungen gesprochen. Dabei habe er "direkte Friedensgespräche ohne Vorurteile und Vorbedingungen befürwortet", sagte Schulz.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.