Fall Edathy: Seehofer kritisiert Widersprüchlichkeiten in SPD

GERMANY SEEHOFER MIGRATION
GERMANY SEEHOFER MIGRATIONEPA
  • Drucken

Über die künftige Zusammenarbeit in der Koalition "wird zwischen den drei Parteivorsitzenden zu reden sein", meint Parteichef Horst Seehofer.

Die Affäre um die Kinderpornografie-Ermittlungen gegen den deutschen SPD-Politiker Sebastian Edathy wird zur Belastungsprobe für die Große Koalition in Deutschland. Nach dem Rücktritt von Agrarminister Hans-Peter Friedrich fordert die CSU Aufklärung von der SPD. "Jetzt stellen sich viele Fragen an die SPD zu den Widersprüchlichkeiten ihres Tuns", sagte CSU-Chef Horst Seehofer der "Rheinischen Post". Er will nun auch die Zusammenarbeit in der Koalition zur Sprache bringen: "Darüber wird zwischen den drei Parteivorsitzenden zu reden sein."

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schloss personelle Konsequenzen in seiner Partei aus. Er sei absolut sicher, dass weder er selbst noch der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder Fraktionschef Thomas Oppermann irgendwelche Informationen an Edathy weitergegeben hätten, sagte Gabriel der "Bild"-Zeitung (Samstag-Ausgabe). In der CSU wird dies bezweifelt: Innenpolitiker Hans-Peter Uhl verlangte im "Focus" eine eidesstattliche Erklärung der beteiligten SPD-Politiker zu der Frage, mit wem sie über den Fall Edathy gesprochen haben.

Als Innenminister hatte Friedrich Gabriel im Oktober am Rande der Koalitionsverhandlungen darüber informiert, dass der Name Edathy bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Diesen Vorgang hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Donnerstag öffentlich gemacht. Friedrich wurde daraufhin vorgeworfen, er habe möglicherweise Dienstgeheimnisse verraten. Als er politisch die Rückendeckung verlor, trat er am Freitag zurück.

Vertrauensverhältnis zu Merkel "nicht beschädigt"

Oppermann betonte, er habe seine Erklärung im Voraus mit Friedrich abgestimmt. "Minister Friedrich war mit der Erklärung an sich und mit deren Inhalt ausdrücklich einverstanden", sagte der SPD-Fraktionschef der "Süddeutschen Zeitung". Gabriel betonte, das Vertrauensverhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel sei durch die Vorgänge nicht beschädigt. Er sei sicher, dass man schnell wieder zum bisherigen Arbeitsklima zurückfinde, sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft sieht in den Vorgängen hingegen durchaus eine Belastung für die Große Koalition. "Dass ein Minister nach so kurzer Zeit zurücktritt, ist eine schwierige Situation", sagte die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen der Zeitung "Bild am Sonntag". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte Merkel im Deutschlandradio Kultur auf, selbst für Klarheit in der Affäre zu sorgen.

Kanzlerin lässt Nachfolge-Frage offen

Merkel hat die Nachfolge Friedrichs bisher offengelassen. Die Entscheidung liegt bei Seehofer, da das Agrarressort der CSU zusteht. Die Frage dürfte beim kleinen Parteitag der CSU am (heutigen) Samstag in Bamberg zur Sprache kommen. Als mögliche Nachfolgerinnen Friedrichs gelten Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) und die Bundesdrogenbeauftragte und Agrarexpertin Marlene Mortler.

Inzwischen ist bekannt, dass Edathy in Kanada Filme und Foto-Sets nackter Burschen gekauft haben soll. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft dürfte sich das im Grenzbereich zum Erwerb von Kinderpornografie bewegen. Bei der Durchsuchung der Privat- und Büroräume Edathys hatte die Staatsanwaltschaft nur wenig Beweismaterial gefunden. Einige Festplatten waren zerstört. Das deutet darauf hin, dass Edathy vorgewarnt gewesen sein könnte.

Die Opposition bezeichnete es als ungewöhnlich, dass Oppermann im Oktober - damals noch als SPD-Fraktionsgeschäftsführer - beim Präsidenten des deutschen Bundeskriminalamtes angerufen hatte, um sich über Edathy zu erkundigen. Linke-Chefin Katja Kipping warf Oppermann vor, damit die Befugnisse seines Amtes überschritten zu haben. "Das ist eine politische Haltung, die mit der Ausfüllung eines Spitzenamtes nicht vereinbar ist", sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Friedrich selbst äußerte sich inzwischen versöhnlich zur Rolle Gabriels in der Affäre. Er hege keinen Groll gegen den SPD-Chef. "Ich glaube, dass es Gabriel sehr leidtut, wie es mir ergangen ist", sagte Friedrich dem "Focus". "Gabriel weiß, dass ich dazu beitragen wollte, das Zustandekommen der neuen Koalition nicht zu erschweren. Er weiß auch, dass ich nie Recht brechen wollte."

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Sebastian Edathy klagt die Staatsanwaltschaft Hannover.
Außenpolitik

Kinderporno-Affäre: Edathy klagt Staatsanwaltschaft

Die Behörden in Hannover würden die Unschuldsvermutung missachten. Die SPD plant einen Parteiauschluss gegen ihre einstige Zukunftshoffnung.
File photo of Edathy standing next to a locker with investigation documents in Berlin
Außenpolitik

Fall Edathy: "Da läuft etwas gegen dich"

Der Ex-SPD-Abgeordnete hatte einen Informanten, meint ein ehemaliger deutscher Minister. Edathy, der verdächtigt wird, Kinderpornografie bestellt zu haben, meldete seinen Laptop als gestohlen.
Zum Minister aufgestiegen: Seehofer-Vize Christian Schmidt
Außenpolitik

Edathy-Affäre: Christian Schmidt neuer Agrarminister

Der CSU-Politiker war bisher Staatssekretär im Entwicklungshilfeministerium. Sein Vorgänger Friedrich musste gehen, weil er laufende Ermittlungen verraten hatte.
Außenpolitik

Was den Fall Edathy zur Streubombe für die GroKo macht

Das Vertrauen ist dahin, die Kinderporno-Affäre löst eine schwere Krise der Koalition aus. Wie konnte es so weit kommen?
Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag SPD.
Außenpolitik

Fall Edathy: SPD-Fraktionschef Oppermann im Schussfeld

Nun muss Thomas Oppermann in Defensive gehen: Der Politiker verteidigt sein umstrittenes Telefonat mit dem Chef des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.