Ukraine: Parlamentschef wird Übergangspräsident

Parlament in der Ukraine
Parlament in der Ukraineimago/UPI Photo
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Bis Dienstag soll eine "Regierung der nationalen Einheit" gebildet werden. Die freigelassene Oppositionspolitikerin Timoschenko will bei der Präsidentschaftswahl kandidieren.

In der Ukraine besetzten die Gegner des abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch am Wochenende wichtige Positionen: Eine Schlüsselrolle spielte die erst aus der Haft entlassene Julia Timoschenko. Ihr Vertrauter, der erst am Samstag gekürte neue Parlamentspräsident Alexander Turtschinow ist am Sonntag zum Übergangspräsidenten des Landes gewählt worden.

Nach dem Umbruch mit der Absetzung von Janukowitsch hat das Parlament nun bis Dienstag Zeit zur Bildung einer neuen Regierung. "Ich rufe die Abgeordneten auf, sofort den Prozess zur Bildung einer neuen Parlamentsmehrheit und der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zu beginnen", sagte Turtschinow. Die neue Regierung müsse bis Dienstag stehen. Als Termin für die Wahl eines neuen Präsidenten war am Samstag der 25. Mai festgelegt worden. Timoschenko hatte bereits unmittelbar nach ihrer Freilassung angekündigt, dabei anzutreten.

Rede auf Maidan

Timoschenko war am Vortag nach rund zweieinhalb Jahren aus ihrer umstrittenen Haft entlassen worden. Nur Stunden später hielt die erkrankte Politikerin eine emotionale Rede vor mehr als 100.000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew. Sie saß dabei im Rollstuhl. Timoschenko war bisher zweimal Ministerpräsidentin der Ex-Sowjetrepublik.

Wo sich Janukowitsch aufhält, war weiter unklar. Auch sein Vertreter im Parlament, Juri Miroschnitschenko, betonte, er wisse es nicht. Am Samstagabend soll sich Janukowitsch in Donezk aufgehalten haben und von der Grenzpolizei am Abflug nach Russland gehindert worden sein. Die Regierungsgegner hatten in der Nacht auf Samstag die Kontrolle in Kiew übernommen. Die Parlamentarier wollten später am Sonntag ein Verbot der bisher regierenden Partei der Regionen von Janukowitsch sowie der verbündeten Kommunisten diskutieren.

Büro der Kommunistischen Partei in Kiew gestürmt

In Kiew war die Lage am Sonntag weitgehend ruhig. Mit Patrouillen bewachte die Opposition weiter die Barrikaden am Maidan. Erstmals seit Tagen waren die Geschäfte wieder geöffnet. Allerdings kam es zu vereinzelten Vorfällen: So wurde das Büro der KP - die mit dem abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch verbündet war - gestürmt. Auf die Fassade des Gebäudes schrieben Demonstranten "Kriminelle", "Mörder" und "Janukowitschs Sklaven".

Der neue Innenminister Arsen Awakow teilte mit, er habe interne Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen 30 Mitglieder seiner Behörde einleiten lassen. Dabei gehe es um ihre Rolle bei den blutigen Straßenkämpfen zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern in Kiew, bei denen mindestens 82 Menschen getötet worden waren.

IWF will Land unterstützen

Der Internationale Währungsfonds IWF zeigte sich bereit, das nahezu bankrotte Land zu unterstützen. "Wenn die ukrainischen Behörden sich an den IWF wenden, sei es mit der Bitte um Beratung, sei es wegen Diskussionen über finanzielle Hilfen, gekoppelt an Wirtschaftsreformen, stehen wir selbstverständlich bereit", sagte IWF-Chefin Christine Lagarde in Sydney. Nötig seien aber legitimierte Gesprächspartner.

Auf frisches Geld aus Russland muss die Ukraine hingegen weiter warten. Der russische Finanzminister Anton Siluanow bekräftigte beim Treffen der G20-Finanzminister in Sydney einmal mehr, dass Moskau zunächst die Regierungsbildung abwarten wolle, bis es von Kremlchef Wladimir Putin zugesagte Milliardenhilfen weiter auszahle.

Janukowitsch hatte Ende November auf Druck Russlands ein historisches Abkommen mit der EU über engere Zusammenarbeit auf Eis gelegt - der Auslöser für die Proteste, die schließlich zu seinem Sturz führten.

(APA/dpa/AFP/Red.)

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