Warum die Linke Venezuelas Regime reflexartig beisteht

VENEZUELA PROTESTS
VENEZUELA PROTESTS(c) APA/EPA/JORGE CASTELLANOS (JORGE CASTELLANOS)
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Lateinamerikas Linke schmückt sich gern mit den Menschenrechten. Venezuela stellt nun ihre Glaubwürdigkeit auf die Probe.

Die Reaktion kam reflexartig. Kaum waren am 12.Februar, dem venezolanischen Tag der Jugend, protestierende Studenten verprügelt, beschossen und gar ermordet worden, da publizierte das Außenministerium Argentiniens ein Statement: „Vornehmlichste Pflicht aller Demokratien der Region“, hieß es darin, sei es, eine „aktive Solidarität und gemeinsame Verteidigungsstrategie gegenüber dem Handeln von autoritären Gruppen zu entwerfen“.

Aber der argentinische Außenamtschef Héctor Timerman solidarisierte sich damit nicht mit den jungen Leuten: Er verteidigte die Regierung von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.

Und einige Tage später, als aufgrund hunderter Videos und Fotos längst klar war, dass jene Terrorkommandos, die von unregistrierten Motorrädern aus auf die Demonstranten feuern, aus dem Umkreis der chavistischen „Kollektive“ und des Inlandsgeheimdienstes stammen, bekräftigte Timerman „die totale und absolute Unterstützung der venezolanischen Institutionen“. Und: „Wir werten jeden Versuch der Destabilisierung einer demokratischen Regierung in der Region als Angriff auf uns selbst.“

Verschwörungstheorien

Daraus lassen sich zwei Dinge schlussfolgern: Erstens: Argentinien begreift Venezuelas politisches System, in dem die Regierungspartei die Justiz und die Wahlbehörde völlig kontrolliert, die elektronischen Medien mundtot gemacht, den Printmedien das Zeitungspapier entzogen und das Parlament durch ein Notstandsgesetz ausgehebelt hat, als funktionierende Demokratie. Zweitens: Alle Proteste dagegen sind nach Lesart der argentinischen Regierung Umsturzversuche und gesteuert von antidemokratischen Verschwörern im In- und vor allem im nördlich gelegenen Ausland. Ähnlich argumentierten in öffentlichen Erklärungen die Präsidenten Ecuadors und Boliviens, Rafael Correa und Evo Morales, der sofort den Klassiker vom „Imperium“ beisteuerte.

Man könnte das als typisch lateinamerikanische Packelei der Mächtigen einordnen. In Erinnerung sind noch die Militärdiktaturen der 1970er-Jahre, die brutal gegen junge „Subversive“ vorgingen – Instrumente jener Repression waren übrigens auch damals Zivilkommandos und unregistrierte Fahrzeuge. Und – das ist das Bizarre hierbei – viele jener Spitzenpolitiker, die heute Maduro beistehen oder ihn gewähren lassen, zählten zu den Opfern der Diktaturen von damals.

Selbst Opfer von Diktaturen

Héctor Timerman etwa musste 1978 ins US-Exil fliehen, nachdem sein Vater Jacobo, damals ein prominenter Journalist, von den Militärs verschleppt und gefoltert wurde. In New York war er Mitgründer von America's Watch, der amerikanischen Unterorganisation von Human Rights Watch.

José Mujica, Präsident Uruguays, saß fast 15 Jahre in Haft, 13 davon unter dem Terrorregime der Militärs. Dilma Rousseff, Präsidentin Brasiliens, wurde drei Jahre lang gefoltert und weggesperrt, Michelle Bachelet (Chile) verlor ihren Vater durch die „Vernehmungsspezialisten“ Pinochets und musste wie ihre Mutter monatelange Torturen durchstehen, ehe sie ausreisen konnte.

Was müssen diese Politiker fühlen, wenn nun venezolanische Mütter berichten, dass ihren Kindern von Uniformierten beim Verhör Gewehrläufe in die After geschoben wurden? Schwer zu sagen, denn Rousseff, Mujica und Bachelet wollten sich zu Venezuela nicht äußern. Bisher konnte sich Lateinamerikas Linke auf ihrem Marsch durch die Institutionen immer mit der Flagge der Menschenrechte schmücken, die leidvollen Biografien ihrer Führer versprachen Sensibilität. Für ihre Glaubwürdigkeit könnte nun Venezuela zur Nagelprobe werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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