Russland: Duma will Anschluss der Krim vorbereiten

Simferopol
SimferopolREUTERS
  • Drucken

Gesetz soll dem Parlament bald vorgelegt werden. Etwa 50 Bewaffnete haben derweil den Flughafen der Krim-Hauptstadt Simferopol in ihre Gewalt gebracht. Kiews neuer Innenminister spricht von einem "Einmarsch".

Russlands Parlament, der Duma, soll ein Gesetz vorgelegt werden, das einem schnelleren Anschluss der russisch dominierten ukrainischen Halbinsel Krim den Weg ebnen würde. Dies berichtete am Freitag die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti, einen Bericht der Zeitung "Kommersant" zitierend. Der Entwurf, der offenbar von der Partei "Gerechts Russland" ausgeht, sieht vor, dass für die Eingliederung eines anderen Landes oder eines Teiles davon künftig allein der Wille des Volkes in Form eines Referendums ausreicht.

Eine Delegation der Regierungspartei „Einiges Russland“ mit Fraktionschef Wladimir Wassiljew an der Spitze ist derzeit auf der Krim zwecks Lokalaugenschein, berichtete Ria weiter. Auch der Vorsitzende der Partei „Gerechtes Russland“, Sergej Mironow, ist auf die Halbinsel gereist. Der ultranationalistische Chef der Liberal-Demokratischen Partei, Wladimir Schirinowski, wird heute dort erwartet.

Die prorussische Volksvertretung auf der Halbinsel hat sich bereits für eine Volksbefragung über die Autonomie der Region ausgesprochen. "Durch die verfassungswidrige Machtübernahme in der Ukraine von radikalen Nationalisten und mit Unterstützung bewaffneter Banden sind Friede und Ruhe auf der Krim gefährdet", sagte eine Sprecherin des Parlaments.

Flughafen weiter unter Kontrolle Bewaffneter

Am Freitag hatte sich die Situation auf der Krim gefährlich zugespitzt: Eine Gruppe von etwa 50 Bewaffneten besetzte den Flughafen der Hauptstadt Simferopol. Am Vormittag hieß es, die mit Sturmgewehren ausgerüsteten Männer hätten noch immer die Kontrolle über den Flughafen und würden auf dem Gelände patrouillieren. Die Bewaffneten stünden auch vor dem Passagier-Terminal, würden Flugreisende aber ungehindert passieren lassen.

Die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine hatte geschrieben, die Männer hätten Militäruniformen getragen. Augenzeugen hätten erklärt, die Bewaffneten hätten dieselbe militärische Kleidung getragen wie die Männer, die am Donnerstagmorgen die Gebäude von Parlament und Regionalregierung auf der ukrainischen Halbinsel Krim besetzt hätten. Die Männer seien in Fahrzeugen ohne Kennzeichen am Flughafen vorgefahren.

Innenminister: "Russischer Einmarsch"

Zudem besetzten russische Truppen den Militärflughafen in der Nähe ihres Stützpunktes Sewastopol. Dies berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax am Freitag. Seitens der russischen Schwarzmeerflotte, die in Sewastopol stationiert ist, hieß es allerdings, man haben den Flughafen nicht besetzt und auch sonst keine Aktivitäten in dessen Nähe durchgeführt. Weiters berichtete Interfax, dass russische Militärhubschrauber auf die Halbinsel Krim geflogen seien. Dies ist freilich angesichts der russischen Militärbasis Sewastopol nichts ungewöhnliches und wäre von der Agentur an einem anderen Tag vermutlich nicht berichtet worden.

Der neue ukrainische Innenminister Arsen Awakow hat die Besetzung der zwei Flughäfen verurteilt. Es handle sich um ein Vorgehen, das alle internationalen Vereinbarungen und Normen verletze, erklärte er am Freitag auf seiner Facebook-Seite: Awakow sprach von einer Provokation und forderte Gespräche. Awakow hat Russland einen "militärischen Einmarsch und Besatzung" auf der Krim vorgeworfen. Die Bewaffneten, die den Flughafen der Krim-Metropole Simferopol kontrollierten, repräsentierten die Russische Föderation, schrieb Awakow weiter. Keine Seite habe indes Waffen eingesetzt. Es handle sich um eine "direkte Provokation" auf dem Territorium eines unabhängigen Staates, betonte Awakow.

Wenig später meldete sich auch das Parlament in Kiew zu Wort: Die Abgeordneten riefen Russland auf, jegliche Aktivitäten zu stoppen, die die territoriale Integrität der Ukraine untergraben könnten. Das Parlament rief zudem den UN-Sicherheitsrat auf, sich mit der Lage in der Ukraine zu befassen.

Janukowitsch geht aus der Deckung

Knapp eine Woche nach seiner Entmachtung als ukrainischer Präsident will sich Viktor Janukowitsch am Freitag (14.00 Uhr MEZ) erstmals öffentlich zu Wort melden. Nach Berichten russischer Agenturen plant der 63-Jährige eine Pressekonferenz in der Stadt Rostow am Don. Am Wochenende war er vom Parlament in Kiew abgesetzt worden und geflohen. Janukowitsch beharrt darauf, dass er weiter der rechtmäßige Präsident sei. Die Beschlüsse des Parlaments seien rechtswidrig.

Die neue Übergangsregierung in Kiew warnte ihren Nachbarn Russland vor Truppenbewegungen auf der Krim, die vor 60 Jahren der Ukraine zugeschlagen worden war. Interimspräsident Alexander Turtschinow erklärte: Sollten sich Soldaten der Schwarzmeerflotte in Sewastopol unangemeldet außerhalb der in Abkommen festgelegten Zonen bewegen, werde dies als "militärische Aggression" gewertet.

In Kiew wählte das Parlament den 39 Jahre alten Arseni Jazenjuk zum neuen ukrainischen Regierungschef. Der Gefolgsmann von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko soll das Land aus der schwersten Krise seit der Unabhängigkeit führen.

USA fordern Zurückhaltung

Die USA forderten Russland zur Zurückhaltung in der Ukraine-Krise auf. Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte in Brüssel, die Vereinigten Staaten würden die Militär-Übungen an der ukrainischen Grenze sehr genau beobachten. "Ich erwarte von Russland Transparenz bei diesen Aktivitäten", sagte er. Zudem forderte er Moskau auf, "keine Schritte zu unternehmen, die falsch verstanden werden könnten oder zu falschen Einschätzungen führen könnten in einer sehr schwierigen Zeit, einer Zeit starker Spannungen".

Die USA und Deutschland wollen Russland in die internationalen Bemühungen um Finanzhilfen einbinden. "Wir werben darum, dass Russland sich an den wirtschaftlichen Stabilisierungsbemühungen beteiligt, weil niemand einen Vorteil davon hat, wenn dieses Land einem Bankrott entgegengeht", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Washington. Die Ukraine brauche dringend internationale Unterstützung, um nicht "auf nächster Strecke auszutrocknen".

Russland kündigte an, im Rahmen eines großen Manövers auch seine Kampfbomber-Flotte im Westen des Landes sowie seine Flotte in der Ost- und in der Barentssee zu testen. Dabei würden etwa Kampfflugzeuge an der Grenze zur Ukraine eingesetzt. Die dortigen Luftstreitkräfte sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Dauereinsatz. Dies habe nichts mit der Lage in der Ukraine zu tun, behauptete Moskau.

Zentralbank beschränkt Devisenverkehr

Die ukrainische Zentralbank legt derweil am Freitag eine Obergrenze für Abhebungen von Devisen fest. Ausländische Währungen dürfen von Konten nur noch im Gegenwert von bis zu umgerechnet 1500 Dollar pro Tag abgehoben werden.

Der am Donnerstag vom Parlament bestätigte neue Premier Arseni Jazenjuk beklagt die finanzielle Schlagseite der Ukraine. "Die Staatskasse ist leer. Es gibt Schulden von 75 Milliarden US-Dollar", sagte er. Das Gesamtvolumen von Zahlungsverpflichtungen liege aktuell bei 130 Milliarden US-Dollar (95,20 Mrd. Euro).

Nach einer Bitte der Ukraine um Finanzhilfe will der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Expertenteam entsenden. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte am Donnerstag in Washington: "Wir sind bereit, zu antworten und werden in den kommenden Tagen ein Untersuchungsteam nach Kiew schicken, um mit den Behörden erste Gespräche zu führen."

Sein Land sei bereit, alle Bedingungen für eine Unterstützung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Freitag zu Journalisten. Es würden bereits klare Schritte vorbereitet, um der Ukraine nach dem Umsturz zu helfen. Er hoffe, dass die Hilfen in "naher Zukunft" fließen werden.

(APA/DPA/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.