Putin behält sich Recht auf Militäreinsatz vor

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Der russische Präsident unterstützt Unabhängigkeit der Halbinsel, bestreitet aber Aufstockung von Truppen. Auf der Krim kam es zu einem Zwischenfall.

Simferopol. Es war eine brandgefährliche Situation: Am Dienstag kam es vor dem Militärflughafen Belbek auf der Krim zu einem bewaffneten Zwischenfall. Russische Soldaten feuerten Schüsse in die Luft, als sich ihnen eine Kolonne von etwa 50 ukrainischen Soldaten näherte. Die Soldaten waren unbewaffnet und zu Fuß unterwegs. Sie sangen Lieder und hatten eine ukrainische und eine sowjetische Fahne geschultert – trotzdem war die Begrüßung alles andere als freundlich.

Soldaten ohne Erkennungszeichen, der Uniform nach aber als russische erkennbar, halten seit Tagen den Flughafen nahe Sewastopol umstellt. Maschinengewehrschützen sind vor der Einfahrt postiert, gepanzerte Fahrzeuge stehen daneben.

Präsident Wladimir Putin hat sich erstmals zur Krim-Krise zu Wort gemeldet. Er sprach von einer „inakzeptablen bewaffneten Machtergreifung“ und meinte damit nicht die Besatzung der Krim durch russische Truppen, sondern die neue Regierung in Kiew, die eine entsprechende Reaktion erzwungen habe. Putin erklärte, man behalte sich das Recht vor, militärisch gegen die Ukraine vorzugehen, ein derartiger Einsatz sei jedoch derzeit nicht nötig und nur das letzte Mittel. Russlands Präsident verschafft sich Zeit, erhält den Druck aber aufrecht. So erklärte er, man werde die Wahlen in der Ukraine im Mai nicht anerkennen, sollte diese Regierung im Amt sein. Auch zu den schweigsamen Truppen auf der Krim äußerte sich Putin: Dies seien keine russischen Soldaten, sondern lokale Selbstverteidigungskräfte.

Krim-Premier will eigene Armee

Auf der Krim setzt sich indes die Belagerung durch russische Truppen fort: Umkreist sind die Basen in Perewalne, Feodossija und der Stab der ukrainischen Marine in Sewastopol. Russland stationierte indes weitere Truppen auf der Krim. Über den besetzten Grenzübergang bei der Meerenge von Kertsch im Osten der Halbinsel setzten weitere Soldaten über. Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte blockierten die ukrainische Marine im Hafen von Sewastopol. Zwei weitere Schiffe der Schwarzmeerflotte haben Kurs auf das Schwarze Meer genommen.

In einer Pressekonferenz forderte der neue Premier der Krim, Sergej Aksjonow, einmal mehr die ukrainischen Militärs zum Überlaufen auf. Dann erläuterte er die Zukunftspläne seiner Führung: So wolle die Republik eine eigene Armee sowie die Hoheit über Zoll und Steuerabgaben. Womöglich werde das Referendum noch vor dem 30. März angesetzt. Der Drohung der ukrainischen Behörden, die Wasser- und Elektrizitätsversorgung der Krim zu kappen, entgegnete er, man werde einen Aktionsplan ausarbeiten. Auch Investoren sollten beruhigt sein: „Ich garantiere die totale Sicherheit für Geschäftsleute“, so Aksjonow vollmundig. Feindliche Übernahmen gehörten der Vergangenheit an. Indes brachte der Premier die staatliche Öl- und Gasgesellschaft Tschernomorneftegas unter seine Kontrolle und ernannte eine neue Leitung. Das strategisch wichtige Unternehmen baut Öl und Gas im Schwarzen Meer ab und versorgt Endkunden auf der Krim.

Apropos Energiepolitik: Das russische Staatsunternehmen Gasprom hat der Ukraine den bisherigen Rabatt von 30 Prozent auf den Weltmarktpreis gestrichen. Kiew benötigt dringend internationale Hilfe. Die USA dürften einspringen: Washington will dem Land umgerechnet 726 Millionen Euro Hilfe für die Energieversorgung zukommen lassen. Auch die EU will heute über weitere Finanzhilfen entscheiden.

EU und USA diskutieren indes Sanktionsmöglichkeiten. Eine Option ist, Russland die Mitgliedschaft im Klub der G8 zu streichen. In diesem Jahr hat Russland turnusgemäß den Vorsitz und ist damit Gastgeber des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs. Sicher ist bereits die Absage der Vorbereitungsgespräche für den im Juni geplanten G8-Gipfel in Sotschi. Das Zustandekommen des Gipfels steht damit infrage. Diskutiert wird des Weiteren, ob man russischen Banken im Westen das Geschäft erschweren solle. Auch die EU drohte mit Sanktionen, sollte bis Donnerstag nicht eine internationale Kontaktgruppe zusammenkommen. Im Gespräch für eine Vermittlermission ist die in Wien ansässige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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