Kubas Amigo kämpft an allen Fronten

(c) REUTERS (JORGE SILVA)
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Präsident Nicolás Maduro suspendiert die Beziehungen zu Panama. Die Proteste gegen die Regierung in Caracas reißen indessen nicht ab. Die ökonomischen Probleme nehmen überhand, in den Geschäften macht sich der Mangel breit.

Buenos Aires/Caracas. Zur Feier des Tages packte der Präsident den diplomatischen Hammer aus: „Ich habe beschlossen, die diplomatischen und politischen Beziehungen zur Republik Panama abzubrechen und die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen einzufrieren, um den Frieden in unserem Land und die Souveränität Venezuelas zu verteidigen.“

Als Nicolás Maduro diese düsteren Worte formulierte, stand er in der „Kaserne am Berge” auf den Hügeln im Westen von Caracas. Dort ruhen, umgeben von Armenvierteln, die sterblichen Reste von Hugo Chávez, dessen Todestag sich am Mittwoch zum ersten Mal jährte. Am Grabe des Comandante und umringt von den Präsidenten Raúl Castro (Kuba), Evo Morales (Bolivien) und Daniel Ortega (Nicaragua) beschimpfte Maduro den Präsidenten Panamas, Ricardo Martinelli, als „Lakaien“ des Imperiums aus dem Norden.

Venezuelas Außenminister habe den panamaischen Amtskollegen mehrfach gewarnt, doch der Kanalstaat habe weiter offen gegen die Interessen Venezuelas konspiriert – bei der US-Regierung und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).

„Insulza, zieh dich nicht an“

Auslöser der Aufwallung war – abgesehen vom Anlass, der einen öffentlichen Kraftakt des bedrängten Maduro gut gebrauchen konnte – Panamas Bestreben, die Situation in Venezuela zum Thema einer Sondersitzung in der OAS zu machen. Oft zuvor wurde in solchen Sitzungen die Entsendung einer Beobachtermission beschlossen.

Tatsächlich war es die konservative Regierung des mittelamerikanischen Staates, die seit dem Ausbruch der Unruhen in venezolanischen Städten am eindringlichsten versuchte, die Organisation einzuschalten. Doch das scheiterte an der Blockade Venezuelas ebenso wie an der fehlenden Unterstützung anderer Latinos. Mit großzügigen Preisnachlässen auf Rohöllieferungen hat sich Caracas viele Freunde gemacht.

Nachdem OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza, ein Mitglied der sozialistischen Partei Chiles, die Entsendung einer Beobachtermission erwogen hatte, rief ihm Venezuelas Präsident direkt zu: „Insulza, zieh dich nicht an, denn du wirst nicht fahren!“ Venezuela werde keine Abgesandten der OAS auf seinem Territorium dulden. „Hier kommt niemand von der OAS herein, um Interventionspolitik zu veranstalten. Das können sich die USA und ihre panamaischen Lakaien hinter die Ohren schreiben.“

Aus der Trickkiste Havannas

Tatsächlich ist es der Maduro-Regierung bisher halbwegs gelungen, die Proteste auf den Straßen ihres Landes als Umsturzversuch radikaler Gruppen darzustellen, die in Verbindung mit den traditionellen Feinden der bolivarischen Republik stünden, etwa zu Kolumbiens radikalem Ex-Präsidenten Alvaro Uribe oder konservativen Kreisen in Washington.

Maduros Mittel kommen, da sind sich die Experten einig, vor allem aus der Trickkiste der kubanischen Berater, die unter dem Ex-Busfahrer noch mehr Kontrolle in Venezuela übernommen haben als schon zuvor unter Chávez: Die elektronischen Medien sind weitgehend gleichgeschaltet, kritische Zeitungen bekommen kein Papier mehr, ausländische Korrespondenten werden immer häufiger festgenommen, zuletzt ein Team des spanischen Fernsehens.

Die U-Bahn von Caracas wurde zeitweise unterbrochen, um die Demonstrationen in den oppositionellen Vierteln im bürgerlichen Osten der Hauptstadt nicht anzufüttern. Bei den meisten Protestzügen im Land tauchen Motorradkommandos auf, die aus automatischen Waffen in die Luft feuern und wieder verschwinden. Dabei gab es auch bereits Tote, 15 an der Zahl seit Ausbruch der Unruhen vor einem Monat.

Offenbar spielen Nicolás Maduro und seine Paten aus Havanna mit der Hoffnung, dass den Demonstranten allmählich die Luft ausgeht, wenn sie mitbekommen, dass niemand ihnen beispringt. Wie oft zuvor hilft dabei den Chávisten die Spaltung innerhalb der Opposition. Gegen den erklärten Willen des moderaten Henrique Capriles entschlossen sich radikalere Vertreter wie der Ex-Bürgermeister Lepoldo López und die Abgeordnete María Corina Machado zu Protesten, weil sie nicht noch drei Jahre bis zu einem möglichen Abwahlreferendum warten wollen, um die Herrschaft der Chávisten zu beenden.

Höchste Inflationsrate der Welt

Dabei haben sie aber eines offenbar nicht begriffen: Immer noch – und trotz aller Widernisse – steht ein erheblicher Teil der Venezolaner hinter der Regierung. Tatsächlich ist etwa in den Barrios im Westen der Hauptstadt, Hochburgen der Regierung, nichts von den Protesten angekommen.

Maduro kann also hoffen, seine „Revolution, die friedlich ist, aber bewaffnet“, weitgehend ungestört von außen weiterzuführen. Die Frage, wie friedlich dabei das Innenleben Venezuelas weitergehen wird, dürfte vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet beantwortet werden. Und dort stehen die Zeichen alles andere als auf Ruhe. Mit 56Prozent verzeichnete Venezuela im Vorjahr die höchste Inflationsrate der Welt. Laut Zentralbank sind 28 Prozent aller Güter in den Geschäften nicht verfügbar. Viele Menschen, auch in den regierungstreuen Vierteln, müssen einen Großteil ihres Daseins in Warteschlangen verbringen. Die Nummern werden oft mit Kugelschreiber auf den Unterarm geschrieben – selbst Nummernzettel sind Mangelware.

Es droht die Pleite

Viele internationale Fluglinien warten auf gigantische Dollarsummen aus Ticketverkäufen in Venezuela. Das Land steht mit 3,5 Milliarden Dollar bei den Airlines in der Kreide, diese drohen deshalb den Rückzug aus Caracas an. Das Budgetdefizit liegt bei elf Prozent.

Und womöglich sind die Einnahmen aus den Erdölexporten wesentlich geringer als offiziell angegeben. Die US-Investmentbank Morgan Stanley will aus den Zahlen der internationalen Energieagentur errechnet haben, dass sich Venezuelas Ölverkäufe ins Ausland 2013 auf etwa 50 bis 55 Milliarden beliefen, deutlich weniger als jene offiziell verkündeten 90 Milliarden US-Dollar. Das Land könnte auf einen Zahlungsausfall zusteuern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2014)

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