„Turboreformer“ Matteo Renzi stößt auf Widerstand

Italian Prime Minister Matteo Renzi speaks during a news conference at the Government Palace in Tunis
Italian Prime Minister Matteo Renzi speaks during a news conference at the Government Palace in Tunis(c) Reuters
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Premier will im Schnellgang Wahlrecht und Wirtschaft reformieren. Nicht nur die EU ist skeptisch. Gas gibt Renzi auch bei seinen Reformen zur Ankurbelung der Wirtschaft.

Wien/Rom. Eigentlich wollte Matteo Renzi in den nächsten Tagen Italien auf den Kopf stellen. Doch die von ihm angekündigte „Superwoche“ der Reformen begann nicht ganz so stimmig, wie der neue Premier es sich gewünscht hatte. Gleich zum Auftakt, bei der Abstimmung zum neuen Wahlrecht, brachte der Ex-Bürgermeister aus Florenz seine Kolleginnen auf die Barrikaden: Ganz in Weiß kleideten sich Abgeordnete aller Couleurs, um gegen die Streichung einer ursprünglich geplanten Klausel zur Chancengleichheit zu protestieren – vergeblich. In einer geheimen Abstimmung sprach sich die Mehrheit dagegen aus, auf Wahllisten künftig die Hälfte der Plätze für Frauen zu reservieren.

Nicht nur Rechtsparteien stimmten offenbar dagegen – sondern auch der Hardcore-Renzi-Flügel der Linksdemokraten. Hintergrund ist ein „Pakt“ des Premiers mit Silvio Berlusconi: Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Medienmagnat hatte sich dezidiert gegen die Frauenquote geäußert.

Dass ausgerechnet Renzi, der Frauenrechte ganz oben auf seine Reformagenda gesetzt hatte, den Forderungen Berlusconis nachgab, stößt vielen seiner Parteikollegen bitter auf. Nach dem Votum verließen Abgeordnete erzürnt den Saal, Linksdemokratin Barbara Pollastrini sprach von „schwerem Schaden für die Demokratie“. Einige Parlamentarierinnen boykottierten aus Protest später das gesamte Votum zum Gesetzespaket. Und Ex-Parteichef Pier-Luigi Bersani warnte den Premier, „Berlusconi nicht das letzte Wort zu lassen“.

Doch Renzi scheint jeder Preis recht zu sein, um die Wahlrechtsreform schnell durch das Parlament zu peitschen (das alte Wahlgesetz ist verfassungswidrig). Noch am Dienstag wollte der Premier eine Einigung im Abgeordnetenhaus erzielen, um sich dann bald das grüne Licht aus dem Senat zu holen. Das „Italicum“ hatte Renzi mit Berlusconi erarbeitet: Dieses Proporzwahlrecht sieht Eintrittshürden für Parteien und Bündnisse sowie kleinere Wahlkreise vor. Ziel sind klare Mehrheitsverhältnisse. Das Gesetz soll nächstes Jahr in Kraft treten und nur für die Abgeordnetenkammer gelten. Den Senat möchte Renzi in eine „Regionenkammer“ verwandeln.

Niedrigere Steuern geplant

Gas gibt Renzi auch bei seinen Reformen zur Ankurbelung der Wirtschaft: Der „Verschrotter“ will heute Teile seiner Arbeitsmarktreform verabschieden lassen, um die Rekordarbeitslosigkeit zu bekämpfen (41Prozent der Jugendlichen sind ohne Job). Der Premier hatte versprochen, den Kündigungsschutz zu lockern sowie Unternehmen, die Personal mit unbefristeten Arbeitsverträgen einstellen, steuerlich zu entlasten. Gewerkschaftsbossen gefällt das nicht. Sie drohten mit Streiks.

Durch Milliardenspritzen hofft Renzi, die von der Krise schwer getroffenen Familien zu entlasten. Vorgesehen sind günstige Wohnungskredite und niedrigere Steuern bei Mietwohnungen. Vor allem plant Renzi laut Medien massive Entlastungen bei der Einkommensteuer. Pläne, die in der EU für große Skepsis sorgen. Befürchtet wird, dass die Maßnahmen das verschuldete Eurokrisenland (die Staatsverschuldung liegt über 130 Prozent) vom bisherigen Budgetsanierungskurs abbringen könnten. Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan argumentierte am Montag in Brüssel, dass seine Regierung Steuersenkungen durch eine Reduzierung von Staatsausgaben finanzieren werde. Laut Beobachtern konnte er die EU-Experten nur mäßig überzeugen.

Dem Dynamiker Renzi werfen inzwischen auch seine Vertrauten Planlosigkeit vor. „Renzi feuert eine Rakete nach der anderen in den Himmel. Und wir alle hecheln hinterher“, sagt etwa Unterstaatssekretär Roberto Reggi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2014)

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