Terrorismus-Abwehr: 300 - Rückkehr der Terrorkrieger

Terror, Syrien
Terror, Syrien(c) REUTERS (KHALIL ASHAWI)
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Bei einer Expertentagung in Bayern wurde von den aus dem Bürgerkrieg in Syrien in die EU-Staaten zurückkehrenden Islamisten gewarnt. Sei seien "brandgefährlich".

Wildbad Kreuth. Bei den deutschen Sicherheitsbehörden schrillen die Alarmglocken: Immer mehr Islamisten aus der Bundesrepublik schlagen sich nach Syrien durch, lassen sich dort militärisch und in terroristischen Kampfmethoden ausbilden, verrohen im Untergrundkrieg gegen das Assad-Regime und kehren, falls sie überleben, traumatisiert oder gewaltbereit nach Deutschland zurück: „Viele dieser Syrien-Heimkehrer sind brandgefährlich“, warnte zuletzt ein Geheimdienstler bei einer Expertentagung der bayerischen Hanns-Seidel-Stiftung und des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland in Wildbad Kreuth, bei der die gegenwärtige Terrorismusgefahr eingeschätzt wurde.

Rund 300 Islamisten beziehungsweise Salafisten befinden sich nach neuesten Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, also des deutschen Inlandsnachrichtendienstes, derzeit bereits in Syrien. Tendenz steigend. Aus der gesamten EU seien es gegenwärtig rund 2000 radikalisierte Moslems, die sich auf der Seite der Opposition gegen das Assad-Regime engagieren würden (von bis zu 11.000 auf Seite der Rebellen kämpfenden Ausländern insgesamt).

Verhältnismäßig auf die Einwohnerzahl ihrer Herkunftsländer gerechnet kämen die größten Gruppen aus Dänemark, Belgien und Österreich, hieß es in Wildbad Kreuth; wobei sich die aus Österreich nach Syrien reisenden Islamisten vor allem aus Kreisen der hier lebenden Tschetschenen rekrutieren sollen.

Rekrutierung über das Internet

In der Bundesrepublik wird die Gesamtzahl der Salafisten derzeit auf etwa 5500 geschätzt – viele davon junge Leute und immer mehr Konvertiten. Rekrutiert wird von den über 100 salafistischen Organisationen vor allem über das Internet; dort werden auch Geld und Sachspenden für Syrien gesammelt. „Die Zeitspanne zwischen dem Engagement für den politischen Salafismus und dem Hineinschlittern in die islamistische Terrorszene wird immer kürzer“, hat dabei ein Verfassungsschützer, der sich mit dieser Szene befasst, beobachtet.

Und was zieht junge Leute in Deutschland überhaupt in diese Szene hinein? Eine Analytikerin des Verfassungsschutzes charakterisiert den Salafismus als „besonders strenge und rigide Spielart des Islamismus. Die Sprache des Salafismus ist zeitgemäß, er operiert mit einfachen und einschlägigen Botschaften, hat einen spezifischen Verhaltenskodex und speziellen Dresscode. Der Salafismus ist die Fastfood-Variante des Islamismus.“

Das mache ihn attraktiv – genauso wie die Tatsache, dass er sich als „maximales Gegenmodell zu unserer liberal-demokratischen Gesellschaft präsentiert. Die hassen Deutschland einfach.“ Die Dynamik des Salafismus werde jedenfalls anhalten und diese Bewegung zu einem immer größeren Reservoir für den globalen Terrorismus werden. „Der syrische Bürgerkrieg beschleunigt und verstärkt diese Entwicklungen noch“, prophezeit die Verfassungsschützerin.

Guido Steinberg, Nahost-Experte der renommierten Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, forderte in Wildbad Kreuth, dass bei der Analyse und Prävention der Terrorgefahr dem syrischen Konfliktherd höchste Priorität eingeräumt werden müsse. Nicht nur die von dort angetriebenen Radikalisierungsprozesse in der islamistischen Szene müssten genauestens beobachtet werden.

Beobachten, gewiss – aber wie gegensteuern? Die Praktiker berichteten in Wildbad Kreuth, dass es so gut wie unmöglich sei, in die Salafisten-Szene einzudringen und diese zu beeinflussen. Es gebe auch nur wenige islamische Geistliche, die bereit seien, mit den Sicherheitsbehörden zu kooperieren.

Steinberg riet auch zur verstärkten Zusammenarbeit mit der Türkei, die zum wichtigsten Rückzugsgebiet für syrische Rebellengruppen geworden ist: „Das türkisch-syrische Grenzgebiet ist mittlerweile von Jihadisten geradezu verseucht. Das könnte noch zu einem ernsthaften Problem für die Türkei selbst werden.“ Auch die an die syrischen Bürgerkriegsfronten eilenden Islamisten aus Europa gelangen meistens über die Türkei dorthin, ebenso wie Hilfslieferungen und militärischer Nachschub.

Aufwind für al-Qaida

Die in Wildbad Kreuth versammelten deutschen Terrorismus-Experten vermuten, dass durch den syrischen Bürgerkrieg auch das Terror-Netzwerk al-Qaida wieder neuen Auftrieb erhalte. Für Professor Joachim Krause von der Universität Kiel ist Syrien „die neue Hauptfront für al-Qaida, auch wenn ihr dort operierender Ableger Islamischer Staat Irak und Syrien (ISIS) bei der Führung des Netzwerks in Ungnade gefallen ist“.

Krause verwies auf das bereits verstärkte Aufflammen sunnitischer Terroraktivitäten in Irak und Ägypten, ebenso in Nigeria. Und er warnte vor der in Jemen aktiven al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, die sich als „kreativster“ Ableger beim Erfinden neuer Terrormethoden erwiesen habe und deshalb von US-Geheimdiensten als besonders gefährlich eingestuft werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2014)

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