Webber: „Der Staus quo in Washington ist Stillstand“

Alan Webber
Alan Webber(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Gouverneurskandidat Alan Webber über die NSA-Affäre, über die Misere in seiner Heimat New Mexico und die Obama-Bilanz.

Wien. „Niemand ist glücklich, wenn er abgehört wird. Natürlich sollte die Regierung ihre Bürger nicht bespitzeln. Aber ist das deren größte Sorge? Die Realität ist doch so: Es gibt nur noch ganz wenige Geheimnisse, und das Leben ist ein offenes Buch. Denn die Menschen hinterlassen über ihre Daten überall digitale Spuren. Und jeder weiß, dass selbst auf höchster Ebene abgehört wird.“ Alan Webber betrachtet die NSA-Affäre, die so große transatlantische Wellen geschlagen hat, aus einem pragmatischen Blickwinkel. Es ist die entspannte Perspektive eines US-Amerikaners, die sich fundamental von der Erregung in Europa abhebt.

„Yeah“, erwiderte der 65-Jährige im Herbst locker auf die Frage, ob er im November bei den Gouverneurswahlen in New Mexico antreten werde. Zunächst muss sich der Buchautor und Ex-Herausgeber indes bei den Vorwahlen der Demokraten in wenigen Monaten gegen etablierte Gegenkandidaten in dem Bundesstaat im Südwesten der USA durchsetzen.

Als er jüngst auf Einladung des oberösterreichischen Thinktanks Academia Superior bei einem Symposium in Österreich zu Gast war, strömte im „Presse“-Interview die Lust, die republikanische Gouverneurin Susana Martinez abzulösen, aus jeder Faser. „Sie ist die Sarah Palin des Südwestens“, schmähte er die Aufsteigerin der Republikaner mit den Latino-Wurzeln, die gar als Vizepräsidentschaftskandidatin im Gespräch ist.

„Wir sind Schlusslicht in puncto Wirtschaftswachstum in den USA, während unser Nachbar Colorado boomt.“ Webbers Mantra lautet darum: „Jobs, Jobs, Jobs“. Er plädiert für verstärkte Wirtschaftsbeziehungen mit Mexiko, die Überwindung von Grenzen und eine längst fällige Immigrationsreform. Der Gründer des Wirtschaftsmagazins „Fast Company“, ehemals Redakteur der angesehenen „Harvard Business Review“, sammelte Erfahrung an der Kreuzung zwischen Politik und Wirtschaft. Webber arbeitete für die Carter-Regierung, im Stab des Bürgermeisters der Grün-Metropole Portland und als Redenschreiber von Michael Dukakis, dem glücklosen Präsidentschaftskandidaten. Ein politisches Amt bekleidete er nie, kommunale Aktivitäten animierten ihn zum Engagement.

„Der Status quo in Washington ist Stillstand“, so sein Befund. „Für die Bundesstaaten eröffnet dies die Chance für Experimente. Gouverneure haben mehr Spielraum. Franklin D. Roosevelt griff auch auf die Politlabors der Bundesstaaten zurück.“

In den USA werfen die Kongresswahlen im November ihre Schatten voraus. Für Alan Webber steht fest, dass Hillary Clinton 2016 noch einmal ihr Glück bei den Präsidentenwahlen versuchen wird – in Washingtons Politzirkeln derzeit Thema heißer Spekulationen.

Und der Amtsinhaber? Ist Barack Obama nach dem diffizilen ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit bereits eine „lahme Ente“? Der Präsident verfüge über eine große Widerstandskraft, charakterisiert ihn Webber. „Er wird seinen Fokus auf erreichbare Ziele richten. Obama hat schon viel erreicht – von der Wall Street über die Autoindustrie bis zur Energiesicherheit. Wir haben jetzt wieder so viele Jobs wie vor dem Ausbruch der Krise.“ Webber hebt zu einem Plädoyer an: „Wenn jemand von einem anderen Planeten hier mit einem Fallschirm abspringen würde, würde er sagen: Wow. Doch die Erwartungen waren exorbitant. Weil er nicht über Wasser gehen kann, nicht Wasser in Wein verwandeln kann, heißt es gleich: Er ist ein Versager.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2014)

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