EU-Gipfel: Wirtschaftskrieg mit Russland bleibt vorerst tabu

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Staats- und Regierungschefs der Union wollen sich bei ihrem heutigen Treffen auf „rote Linien“ gegenüber Moskau einigen.

Brüssel. Auf die am Donnerstag in Brüssel versammelten Staats- und Regierungschefs der EU kommt eine anstrengende Nacht zu: „Das wird vermutlich eines der längsten Abendessen in der Geschichte der EU-Gipfel“, prognostizierte gestern ein Diplomat, der mit den Vorbereitungen betraut war. Denn das Treffen, bei dem es eigentlich um Umwelt, Energie und Wettbewerbsfähigkeit gehen sollte, steht ganz im Zeichen der Ukraine – und was den Umgang der Union mit Russland anbelangt, sind sich ihre Mitglieder alles andere als einig.

Dass es der EU vorerst gelungen ist, gegenüber Moskau mit einer Stimme zu sprechen, hängt vor allem damit zusammen, dass die Konsequenzen der bisherigen europäischen Entscheidungen überschaubar waren. Bei ihrem Treffen am 6.März hatten sich die EU-Granden auf einen dreistufigen Sanktionsplan geeinigt. Die erste, rein symbolische Stufe, wurde noch am selben Tag aktiviert: Die EU suspendierte ihre Verhandlungen mit Moskau über eine Visa-Liberalisierung. Stufe zwei wurde am Montag erreicht, als die Außenminister der Union 21 Personen, die mit dem russischen Einmarsch auf der ukrainischen Halbinsel Krim zu tun hatten, mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegten. Die letzte Stufe ist für den Fall vorgesehen, dass Russland „weitere Schritte setzt, um die Lage in der Ukraine zu destabilisieren“ – angedroht sind „weitreichende Konsequenzen für die geschäftlichen Beziehungen“ – „das wäre dann der Wirtschaftskrieg“, so ein Diplomat, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Und genau hier fangen die Probleme an. Denn offenbar ist man sich innerhalb der EU nicht einig, wie diese „weiteren Schritte“ Russlands zu definieren sind – konkret, ob die formelle Annexion der Krim am Dienstag als Eskalation gewertet werden kann oder nicht. Der EU-Gipfel soll diesbezüglich Klarheit verschaffen – und deswegen dürfte das Arbeitsessen auch so lange dauern. So gut wie niemand geht davon aus, dass die EU bereits jetzt Ernst macht. „Bis dato gibt es gar kein offizielles Mandat seitens der EU-Mitglieder, mit den Vorbereitungen für die Stufe drei zu beginnen“, berichtet ein Diplomat. Denn Wirtschaftssanktionen würden auch Europa wehtun. Es liege daher an den Staats- und Regierungschefs, als Erstes die „roten Linien“ der EU zu definieren.

Stufe „zwei plus“

Es angesichts der Vorgänge in Moskau und auf der Krim beim Status quo zu belassen, dürfte allerdings auch nicht infrage kommen. Der wahrscheinlichste Kompromiss ist eine Stufe „zwei plus“: Die EU dürfte ihre Watchlist vom Montag ausweiten. Die bisher betroffenen 21 Personen zählen eher zur zweiten Liga der russischen Politik: Es sind Duma-Abgeordnete und Militärs, die von der EU sanktioniert wurden. Mittwochabend wollten die EU-Botschafter in Brüssel darüber diskutieren, ob man nun den engsten Kreis von Staatschef Wladimir Putin sowie jene Medienvertreter, die für die russische Propagandakampagne verantwortlich sind, ins Visier nehmen soll. Maßnahmen gegen Oligarchen waren bis dato nicht Gegenstand von Verhandlungen, hieß es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2014)

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