Lambsdorff: "Können nicht so tun, als wären wir große Schweiz"

imago/sepp spiegl
  • Drucken

Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl, im "Presse"-Interview über die Rolle der EU, Deutschlands und Merkels in der Krim-Krise.

Die Presse: Beim EU-Gipfel in Brüssel werden heute neue EU-Sanktionen gegen Russland bekannt gegeben. War die Strategie bisher richtig? Oder waren die Sanktionen zu zahnlos?
Alexander Graf Lambsdorff:
Ich habe es für richtig gehalten, dass man Russland die Hand ausstreckt und nicht mit zu scharfen Sanktionen Gesprächskanäle von vornherein zu verstopfen. Da Russland auf die ausgestreckte Hand aber mit der geballten Faust reagiert hat, sind jetzt schärfere Sanktionen erforderlich. Aber auch im Nachhinein war es richtig, den Versuch zu unternehmen, zu einer diplomatischen, politischen Lösung mit Russland zu kommen.

Angela Merkel hat heute im Bundestag relativ starke Worte gegen Russland gefunden. Sind Sie überrascht, dass Sie in der Krim-Krise eine Führungsrolle übernimmt?
Lambsdorff: Die deutsch-russischen Beziehungen sind sehr alt und sehr tief. Insofern hat Deutschland hier vielleicht tatsächlich einen kleinen Vorsprung. Die deutsche Führungsrolle kann aber nur funktionieren, wenn sie europäisch gedacht ist. Deutschland alleine wäre genauso unerheblich wie Polen allein oder Österreich allein.

Der Krim-Konflikt ist eine Belastungsprobe, aber auch eine Bewährungsprobe für die europäische Außenpolitik. Ist das eine Chance für eine Profilierung nach dem Balkan-Desaster?
Lambsdorff: Die Krim-Krise hat Bedeutung weit über die Krim hinaus. Wir erleben, dass Russland sich von den Grundprinzipien der europäischen Friedens-, Sicherheits- und Stabilitätsordnung verabschiedet, wie wir sie uns 1991 in der OSZE gegeben haben: Die staatliche Einheit, die Bündnisfreiheit, die territoriale Unversehrtheit werden in Frage gestellt. Insofern ist es in der Tat eine Bewährungsprobe, weil es um die Bewahrung dieser europäischen Friedensordnung geht.

Vor der Hintergrund ist der Wandel von Außenminister Frank-Walter Steinmeier von einem Schröderianer und Putin-Versteher zu einer distanzierten Politik einigermaßen bemerkenswert.
Lambsdorff: Die „Russland-Versteher" merken jetzt, dass man mit zu viel Russland-Verständnis dann falsch liegt, wenn Moskau einen Weg einschlägt, der an sowjetische Zeiten erinnert. Steinmeier steht da pars pro toto für die europäische Sozialdemokratie. Hier war viel zu lange ein übergroßes Verständnis für Russlands Machteliten ausgeprägt. Die Liberalen haben immer gesagt, man muss mit Russland reden, auf allen Ebenen, auch in der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Aber mit der Regierung muss man sehr nüchtern umgehen, denn ihr geht es vorrangig um ihre eigene Macht, ihre Machtbehauptung- und ausweitung. Da ist zu viel Verständnis fehl am Platz, es braucht vielmehr nüchterne Analyse und einen klaren Blick auch für unsere eigenen Werte und Interessen.

Sehen sie die Gefahr einer Renaissance des Kalten Kriegs mit anderen Mitteln?
Lambsdorff: Ich bin gegen diese Metapher vom Kalten Krieg. Bei aller Anspannung, die wir jetzt haben, drohen wir uns doch nicht mit der gegenseitigen atomaren Vernichtung. Es wird eine Abkühlung der Beziehungen geben, es muss Sanktionen geben, und es werden schwierige Zeiten kommen. Aber ein Kalter Krieg ist das nicht.

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz postulierten deutsche Politiker von Präsident Gauck abwärts eine aktive deutsche Außenpolitik. Dieser „deutsche Moment" kam nun früher als gedacht. Wie stehen Sie dazu?
Lambsdorff: Ich glaube, das war ein notwendiger Hinweis an die Deutschen, dass wir als großes Land in der Mitte Europas, in einer Zeit, in der um uns herum Spannungen Realität sind, nicht so tun können, als ob wir eine große Schweiz wären. Das heißt nicht, dass wir uns leichtfertig auf militärische Abenteuer einlassen. Es ist richtig, dass wir aktiv gestaltend mit den Partnern zusammen eine Politik entwerfen, mit der wir europäische Werte und Interessen verteidigen. Das muss Deutschland tun, gemeinsam mit Paris und Warschau und den anderen EU-Partnern. Dieser Moment ist nun gekommen.

Sind die Sorgen, die noch vor zwei Jahrzehnten vor einem Großmachtgehabe Deutschlands umgingen, also verflogen?
Lambsdorff: Großmachtegehabe in Deutschland sehe ich in der außenpolitischen, diplomatischen, militärischen Sphäre überhaupt nicht. Manche Partner in der EU kritisieren uns auf wirtschaftspolitischem Gebiet dafür, aber diese Befürchtungen sind unbegründet.

Vor drei Jahren hat sich Deutschland unter Außenminister Westerwelle im Libyen-Konflikt noch weggeduckt. Wurde da ein Fehler korrigiert?
Lambsdorff: Die Libyen-Entscheidung Deutschlands (eine Enthaltung im Sicherheitsrat) habe ich für einen Fehler gehalten und auch mit Außenminister Westerwelle darüber gestritten. Wir können und sollen als Deutsche nicht gegen Frankreich und die USA, aber für China und Russland stimmen.

Mit den USA gab es im Vorjahr schwere Irritationen in der NSA-Affäre. Jetzt ist Washington wieder auf Deutschland angewiesen. Haben die transatlantischen Beziehungen dauerhafte Schäden davongetragen?
Lambsdorff: Diplomatisch wird das Thema erhalten bleiben. In diesem Punkt kritisiert die FDP die deutsche Bundesregierung, denn die Kanzlerin und der Außenminister haben sich aus der Diskussion um die den Schutz der Privatsphäre der Bürger abgemeldet. Wenn die Kanzlerin in wenigen Wochen in Washington zu Besuch sein wird, erwarten wir, dass sie das Thema trotz der Krim-Krise erneut anspricht. Unter Alliierten darf man keine nachrichtendienstliche Tätigkeiten durchführen, die die Bürgerrechte großflächig außer Kraft setzen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.