Putin und Obama: Das Ende keiner Freundschaft

FILE MEXICO OBAMA PUTIN UKRAINE CRISIS CRIMEA
FILE MEXICO OBAMA PUTIN UKRAINE CRISIS CRIMEA(c) APA/EPA/ALEXEI NIKOLSKY/RIA NOVOSTI/KREMLIN POOL (ALEXEI NIKOLSKY/RIA NOVOSTI/KREMLIN POOL)
  • Drucken

Seit mindestens vier Jahrzehnten war das Verhältnis zwischen den beiden starken Männern im Weißen Haus und im Kreml nicht mehr so schlecht wie heute.

Wenn Staatsmänner gegenseitig die Kabinettsmitarbeiter mit Reiseverboten und Kontensperren belangen, dann weiß man: Das ist nicht nur ein Strickfehler in den diplomatischen Beziehungen. Das ist eine zutiefst persönliche Angelegenheit.

Nur Minuten, nachdem US-Präsident Barack Obama am Freitag im Rahmen seiner zweiten Welle an Vermögenssanktionen neben 20 russischen Staatsfunktionären und Oligarchen auch Sergej Iwanow, den Kabinettschef von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, sowie zwei seiner Stellvertreter quasi aus dem internationalen Zahlungsverkehr ausgesperrt hatte, schlug Putin zurück und verhängte Einreiseverbote über Obamas stellvertretenden Sicherheitsberater, Ben Rhodes, seine Beraterin für internationale Wirtschaftsfragen, Caroline Atkinson und seinen Kommunikationsberater, Dan Pfeiffer.

Matte Scherze, dass für sie so die heurigen Sommerferien in Sibirien ausfallen, täuschen nicht darüber hinweg, dass dies ein gravierendes Zeichen für die Eiszeit zwischen Washington und Moskau ist. Rhodes hat am öftesten des Präsidenten Ohr, wenn es darum geht, ob sich die USA zur Verteidigung der Menschenrechte in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen soll. Pfeiffer hat die Schlüsselrolle bei der Verpackung der präsidentiellen Politik in konkrete Botschaften. Atkinson ist Obamas „Sherpa“ bei den Gipfeltreffen der G8 und G20 – sprich: Gesicht und Stimme der Regierung bei der inhaltlichen Arbeit in den Gremien der wichtigsten Weltakteure.

Das tiefe Zerwürfnis zwischen Weißem Haus und Kreml hat sich an der militärischen Machtübernahme durch die Russen auf der Krim entzündet. Es war allerdings schon von jenem 7. Juli 2009 an zu erwarten, an dem sich Obama und Putin in Moskau erstmals trafen. Die Vorzeichen für einen Neubeginn standen gar nicht schlecht. Zwischen Obamas Vorgänger George W. Bush und Putin herrschte spätestens seit dem russisch-georgischen Krieg vom Sommer 2008 komplette Funkstille. Drei Stunden lang redeten Obama und Putin bei ihrem ersten Treffen, und der Russe jammerte darüber, wie respektlos er von Bush und Außenministerin Condoleezza Rice – einer ausgewiesenen Russland-Kennerin – behandelt worden sei. „Die Unterredung war höflich“, schreibt James Mann in seinem Buch „The Obamians“. „Doch das Obama-Team ging mit dem Eindruck nach Hause, dass Putin ein altmodischer Anhänger der Nullsummenspiele ist, die im Gegensatz zur Weltsicht der Win-win-Situationen steht, die Obamas Team bevorzugt.“


„Reset“ gescheitert. Im Nullsummenspiel ist der Sieg des einen die Niederlage des anderen. Eine Win-win-Situation nutzt beiden. Solche gemeinsamen Interessen hätten die USA und Russland viele. Und zu Beginn der Amtszeit von Obama sah es so aus, als ließe sich das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Das lag vor allem an der Hoffnung Obamas, in Dimitri Medwedjew einen aufgeschlossenen Partner gefunden zu haben. Medwedjew strahlte die Aufgeschlossenheit des jungen, modernen Technokraten aus, der Russland ins Internetzeitalter reformieren will. Russland-Kenner ließen sich vom treuherzigen Blick des Apple-Fans nicht täuschen: Putin hatte Medwedjew seit den 1990er-Jahren aufgebaut und aus der Sankt Petersburger Stadtverwaltung nach Moskau mitgenommen. Als Putin 2011 ankündigte, nach einer Amtszeit als Ministerpräsident unter Medwedjew wieder als Präsident zu kandidieren, fiel Obama aus allen Wolken.

Ein gehöriger Teil der Verantwortung für diese krasse Fehleinschätzung liegt bei Obamas Vizepräsidenten, Joe Biden – jenem Mann, der laut Ex-Verteidigungsminister Robert Gates „bei jeder wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Entscheidung der vergangenen vier Jahrzehnte falschgelegen ist“.

Biden hat im ersten Monat von Obamas erster Amtszeit das Wort vom „Reset“ geprägt: dem Neubeginn, so, als drücke man auf einer Fernbedienung auf einen Knopf und alles beginnt von vorn. Was Biden nicht bedacht hat: Jeder US-Präsident seit Reagan hat so einen „Reset“ versucht. Jeder musste feststellen, dass die Beharrungskräfte im Kreml größer sind als Amerikas Optimismus. Das liegt etwa an dem Gefühl vieler Russen, von Amerika seit dem Kollaps der Sowjetunion gedemütigt zu werden. Obama, der sich nie für den Kalten Krieg oder die Sowjetunion interessiert hat, ist keine Ausnahme.

„Obama hat mit Putin nicht die Beziehung, die Reagan und Bush mit Gorbatschow hatten. Das hat eine Menge mit dem Eindruck zu tun, dass wir den Kalten Krieg gewannen und Russland besiegt wurde“, sagt Jack Matlock im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Matlock war von 1987 bis 1991 US-Botschafter in Moskau. „Ich denke, dass er führende Berater in seinem Stab hat, die stark an die Verpflichtung zum Schutz von Menschen in anderen Ländern vor Missbrauch durch deren Regierungen glauben. Das ist ein edles Ansinnen. Das Problem ist: Wenn die USA versuchen, das allein zu machen oder ohne Genehmigung der Vereinten Nationen, funktioniert es nicht. Und das amerikanische Volk will nicht mehr in solche Dinge hineingezogen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.